Messungen

Alpen: Gletscher schmelzen schneller als im Schnitt der vergangenen 6000 Jahre

(c) APA/ÖAW/NORBERT SPAN (NORBERT SPAN)
  • Drucken

Ein Forscherteam konnte anhand der Weißseespitze in Tirol  nachweisen, dass die Gletscher äußerst außergewöhnlich schmelzen.  Die Wissenschafter wollen nun möglichst viele Bohrkerne und damit wichtige Daten retten.

Dass die heimischen Gletscher rasch schmelzen, ist bekannt. Das rasante Abschmelzen der Gletscher in den Alpen ist dabei tatsächlich historisch äußerst außergewöhnlich: Denn der derzeitige Masseverlust der Gletscher ist deutlich höher als der Schnitt der vergangenen 6.000 Jahre.

Das zeigen Analysen von Eisbohrkernen und anderer Daten, die es den Gletscherforschern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erlauben, 6000 Jahre in die Klimavergangenheit zu blicken.

Dies gelingt etwa auf der 3498 Meter hohen Weißseespitze an der Grenze zwischen Tirol und Südtirol. Die Eiskappe des Gipfels sei aufgrund der begrenzten Eisbewegung dort die ideale Stelle für einen Vergleich von Klima und Massebilanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart. „Insgesamt gibt es hier noch zehn Meter Eis, dessen unterste Schicht etwa 6000 Jahre alt ist“, so Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW.

0,6 Meter Eis pro Jahr geht verloren

Für die aktuelle Studie hat ein Forscherteam um Fischer Eisbohrkerne von der Weißseespitze entnommen und analysiert. Es kombinierte dabei die Ergebnisse mit Daten aus anderen Quellen, etwa historischen Aufzeichnungen und instrumentellen Messdaten, die in den Alpen bis 1770 zurückreichen, und zeigte so, „dass der derzeitige Masseverlust deutlich höher ist als der Schnitt der vergangenen 6000 Jahre“, so Fischer.

Derzeit verliert der Gletscher der Weißseespitze im Schnitt 0,6 Meter Eis pro Jahr. Zwischen 1893 und 2018 sind in Summe rund 40 Meter Eis abgeschmolzen. Die Forscher rechnen damit, dass in etwa zehn Jahren die Eiskappe komplett verschwunden sein wird.

Früher fand die Schmelze zwischen Juni und September statt, wobei dies vor allem den frisch gefallenen Schnee betraf und das Gletschereis meist nur kurz betroffen war. Heute würden schon wenige Tage Eisschmelze für eine negative Massenbilanz mit einem vollständigen Verlust der jährlichen Akkumulation (also der Ablagerung von Schnee) ausreichen. Solche Schmelzereignisse auf dieser Seehöhe seien in der Vergangenheit Einzelfälle gewesen.

Durch das Tauen der Gletscher gehe auch „eines der wichtigsten Archive für extreme Klimaereignisse verloren“. In den Bohrkernen sieht man helle Schichten mit lufthaltigem Wintereis und dunkle Schichten etwa mit Staub und Ruß von sommerlichen Schmelzereignissen. Sehr dunkle Schichten weisen etwa auf mehrere Wochen lange Warmphasen hin.

Bohrkerne retten

Solche im Eis gespeicherten Extremereignisse sind von Interesse, weil speziell Ausreißer für die Sicherheit der Siedlungen in den Alpen auch in Zukunft ausschlaggebend sein werden. Die Daten aus den Bohrkernen sollen dabei helfen, Modelle für künftige Hochwasserereignisse zu erstellen. Deshalb versucht das Forschungsteam, so viele Bohrkerne wie möglich zu retten, bevor die Eiskappen weg sind.

(APA )

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.