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Huawei P50 Pro: Warum gute Hardware nicht reicht

Der Smartphone-Thron ist weiter entfernt denn je. Aber Huawei denkt nicht ans Aufgeben. Mit dem P50 Pro will es der chinesische Hersteller noch einmal allen beweisen. Mit einem hohen Preis, ohne 5G oder Google.

Die Smartphones des Herstellers Huawei zeichnen sich durch eine sehr gute Ausstattung zu einem vernünftigen Preis aus. Vor allem die Kameras lassen andere Mitbewerber schwach aussehen. Die Kunden sind zufrieden und kehren vermehrt Samsung und anderen Android-Herstellern den Rücken. Dann die Zäsur durch Donald Trump - und nichts ist mehr, wie es war. Für Huawei wie auch für die Kunden selbst.

Rückblick Mai 2019: Huawei ist kurz davor, Samsung nach mehr als einem Jahrzehnt den Rang abzulaufen und den Smartphone-Thron zu besteigen. Doch dann spricht der damalige US-Präsident Donald Trump einen Handelsbann aus und untersagt US-Firmen jegliche Zusammenarbeit mit Huawei. Plötzlich ist der Konzern ausgesperrt: Von Googles Android und dem tief darin verankerten Google Mobile Services (Gmail, Maps, Play Store, etc.), aber auch von Facebook, Instagram und WhatsApp. Apps, die seit Jahren die Beliebtheits-Rankings in allen verfügbaren App-Stores anführen. Die Smartphone-Verkaufszahlen gehen rapide bergab. Jetzt, mehr als zwei Jahre später, ist es Huawei gelungen, ein Betriebssystem auf die Beine zu stellen und eine akzeptable, wenn auch nicht super-elegante Lösung für das Facebook-Instagram-WhatsApp-GoogleMaps-Problem zu finden.

Mit dem P50 Pro will Huawei zeigen, was es als Smartphone-Hersteller ausmacht: Design, Kamera(s), die verbaute Hardware. Aber auch nach zwei Jahren hapert es noch an der Software. Auch wenn vieles bereits gemacht war, Huawei muss noch aufholen.

Die äußeren Werte

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Bevor wir uns dem Software-Thema widmen, geht es, wie bei jedem neuen Topmodell, um das Aussehen. Was bereits beim Auspacken auffällt: Das Huawei P50 Pro ist angenehm leicht. Während das iPhone 13 Pro Max satte 240 Gramm auf die Waage bringt, sind es beim P50 Pro nur 195 Gramm. Es ist mit einer Breite von 7,2 Zentimeter auch angenehm schmal und mit 15,8 Zentimetern auch nicht zu hoch. Es liegt gut in der Hand und dank mitgelieferter Plastikhülle ist es auch von Beginn an gut geschützt. Und so rutschig wie das kleine Kerlchen ist, auch dringend notwendig. Außerdem, und das ist keine neue Erkenntnis, sind diese Hochglanz-Versiegelungen wahre Magneten für Schmutz, Schmierer und Fingerabdrücke. Ein Handy ständig zu putzen, damit es weiterhin schön aussieht, macht keine Freude. Dafür gibt es definitiv einen Punkt Abzug.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Apropos Rückseite: Die Kamera auf der Rückseite, einmal mehr das Herzstück eines Top-Smartphones. Auch wenn man sich langsam die Frage stellt, wieviele Kameras ein Handy noch haben muss: Huawei hat es geschafft, richtig viele zu verbauen, ohne den Eindruck entstehen zu lassen, die Rückseite zu überladen. Zwar stehen die zwei Bullaugen auch auf der Rückseite ab, aber deutlich weniger als bei den Mitbewerbern. In Kombination mit der Hülle wirkt das Gerät nicht bullig.

Im oberen Kreis ist eine 13-Megapixel-Ultraweitwinkel-Kamera (13mm;f/2.2), drunter eine 40-Megapixel "True Chrome Kamera" für verbesserte Schwarz-Weiß-Aufnahmen (26mm; f/1,6). Eine 50-Megapixel-Kamera rundet das erste Set ab. Darunter verbirgt sich eine 64-Megapixel-Teleobjektiv-Kamera mit 3,5-fachem optischem Zoom und einem optischen Bildstabilisator (f/3,5). Natürlich kann aber mit dem digitalen Zoom noch viel weiter das Objekt der Begierde aus der Ferne vor die Linse geholt werden. Bis zu hundertfacher Zoom ist möglich, aber nicht notwendig und bringt ohne Stativ und sehr viel Geduld keine brauchbaren Ergebnisse und ist damit zwar schön auf der Liste der technischen Ausstattung, aber in der Praxis vernachlässigbar.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Bei der Kamera erfüllt Huawei in einem ersten Test die hohen Erwartungen. Die Bildqualität in schlechten Lichtverhältnissen ist sehr gut und selbst schlechte Fotografen (wie die Autorin dieses Texts) schaffen gute und ansprechende Bilder. Was der Mensch nicht schafft, erledigt zum Teil auch die Künstliche Intelligenz.

Das Einschalten - Bloatware, wohin das Auge reicht

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Ohne Googles Play Store stand Huawei 2019 plötzlich mit leeren Händen da. Keine App aus den USA ließ sich auf einfachem Weg installieren. Dieses Problem hat man jetzt zum Teil behoben. Ja, es sind ein paar Klicks mehr notwendig, um Instagram, WhatsApp oder auch Google Maps auf das Handy zu holen, aber hier leitet das System recht gut durch. Doch beim Huawei P50 Pro hat der Hersteller wohl versucht, zu zeigen, was er alles schon in seinem eigenen Store hat. So beginnt das Einrichten mit Ausmisten. Waren Samsung und der einstige Smartphone-Hersteller LG Spitzenreiter bei vorinstallierten Apps, so legt Huawei nochmal ordentlich drauf: Ordner für Spiele, Geschäftliches, Social Media, Lifestyle sind vorinstalliert und beinhalten meist kaum Brauchbares. Bei jedem Schritt der Einrichtung will Huawei einem noch ein paar mehr Apps draufladen. Hier wäre es besser gewesen, sich in dezenter Zurückhaltung zu präsentieren. Ein frisches und sauberes System und bei der Einrichtung vielleicht der Hinweis: „Das könnte Sie auch interessieren“.

Es ist ja auch in gewisser Weise nachvollziehbar, dass Huawei zeigen möchte, wen es nicht alles zur Zusammenarbeit bewegen konnte. Aber ein Hinweis reicht. Insgesamt 22 Gigabyte belegen Software und das Sammelsurium an Apps. Das Einrichten nimmt daher länger als sonst Zeit in Anspruch.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
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(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
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Hat man also sein Handy entmistet, geht es ans Personalisieren und dem Installieren der eigenen Apps. Hier kann direkt über Huaweis App Store gesucht werden. Wir haben das anhand von Google Maps in sechs Schritten und Bildern dargestellt.

Dank des Snapdragon 888 Prozessors, dem Adreno 660 und den acht Gigabyte Arbeitsspeicher geht immerhin alles flott von der Hand. Interessant ist nur, dass Huawei hier auf das aktuelle Marketing-Zugpferd 5G nicht aufspringt. Die Frage blieb bis zur Veröffentlichung dieses Berichts unbeantwortet. Es ist nicht davon auszugehen, dass Huawei als Netzwerkausrüster nichts mehr von 5G hält. Vielmehr scheint der Mangel an Halbleiter-Prozessoren der Grund zu sein.

Und sonst so?

Der verbaute Bildschirm bietet eine Bildschirmwiederholrate von 120 Hz -  ein Goldstandard in dieser Kategorie mittlerweile, auch wenn sich Apple davon nicht beeindrucken lässt. Das Lesen von langen Inhalten ist somit deutlich angenehmer.

Der Fingerprint-Scanner ist unter dem Display verbaut und lässt sich schnell einrichten. Die Erkennung in der Praxis funktioniert gut und ist deutlich angenehmer als das Gerät über Face-ID zu sichern. Denn mit Maske wird das zu einer nach wie vor unlösbaren Aufgabe.

Das führt uns zum Preis: Mit 1199 Euro schwingt sich das Huawei P50 Pro in die Oberliga auf. Es wird Mitte Februar in den Handel kommen und in den Farben Gold und Schwarz erhältlich sein.

Fazit: Würde Huawei bei dem Preis eine ähnlich aggressive Taktik wie bei den Apps führen, wäre das P50 Pro eine Empfehlung wert. Doch beim Preis-Leistungs-Verhältnis wird den Kunden einfach zu viel abverlangt. Die Installation von gewissen Apps bedeutet noch immer einen gewissen Aufwand. Die Tatsache, dass bei einem taufrischen Gerät erst aufgeräumt werden muss, ist lästig und entspricht nicht mehr dem Stand der Zeit. Bloatware hat auf einem Handy nichts zu suchen und das ganz unabhängig von Huaweis Schicksal. Außerdem wirkt es ohne 5G alt.

Der chinesische Hersteller zeigt aber, dass ein Android-Smartphone nicht zwingend Google zum Überleben braucht. Microsoft, BlackBerry und viele andere sind mit ihrer eigenen Software gescheitert. Aber Huawei ist noch nicht wieder oben angekommen. Viel fehlt aber nicht mehr.

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