Man werde sich in die Entwicklungen nicht einmischen und bei einer Eskalation Truppen aus Nato-Formationen abziehen, sagte Zoran Milanović. Der Präsident attackierte zudem offen die Ukraine, die EU und die USA. Kroatiens Regierung ist entsetzt und entschuldigt sich.
Kroatiens Präsident, Zoran Milanović, hat vor dem Hintergrund der Kriegsgefahr in Osteuropa mit einer ungewöhnlichen Äußerung für Wirbel gesorgt: Der Sozialdemokrat kündigte laut Medienberichten am Rande des Besuchs einer Fabrik in Zagreb am Dienstagabend an, dass sich sein Land - seit 2009 Mitglied der Nato und seit 2013 der EU - in den Streit zwischen Russland und der Ukraine bzw. dem Westen nicht einmischen werde - und im Fall einer Eskalation seine Truppen aus Nato-Streitkräften zurückziehe.
„Wir haben damit nichts zu tun und werden auch nichts damit zu tun haben", sagte Milanović demnach bei dem Besuch. „Nicht nur, dass wir keinen Soldaten entsenden werden: Wenn es zu einer Eskalation kommt, werden wir unsere Truppen bis zum letzten Soldaten zurückziehen", sagte der Präsident in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Und er schob einige Begründungen nach: Hinter der Krise stecke „in erster Linie die Dynamik der US-Innenpolitik"; in der Politik von Präsident Joe Biden in Fragen der internationalen Sicherheit sehe er „Inkonsistenz und gefährliches Verhalten". Biden stehe wohl unter Druck, gegenüber Moskau eine harte Haltung einzunehmen, sowohl seitens der „Falken" seiner Demokratischen Partei als auch jener der Republikaner.
Ausscheren aus Linie der Allianz
Milanovićs Äußerungen sind vor allem deshalb heikel, weil damit erstmals ein so hoher Vertreter eines Nato-Staates offen andeutet, aus der Linie der Allianz notfalls ausscheren zu wollen.
Zwar bestehen keine Hilfspflichten der Nato gegenüber dem Nicht-Mitglied Ukraine, schon gar nicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags (Bündnisfall). Milanović sprach Letzteren auch gar nicht an. Sich im Falle einer nicht näher definierten „Eskalation" aber davonstehlen und etwa keine Truppen für den Schutz der Nato-Außengrenze im Osten oder sonstige Hilfe stellen zu wollen, ist ein hartes Statement, das in der Nato für viel Ärger sorgen dürfte. Von dort gab es bisher keine Reaktionen.
„EU- und USA-geförderter Staatsstreich"
Der kroatische Präsident betonte im Gespräch mit Reportern weiter, dass die Ukraine ohnehin nicht ins westliche Bündnis gehöre, und bezeichnete das Land als „eines der korruptesten der Welt". Und noch mehr: In Bezug auf den Machtwechsel dort 2014 sagte der 55-Jährige, der Sturz des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch sei ein von EU und USA geförderter „Staatsstreich" gewesen.
Nach dem Sturz von Janukowitsch wäre der Plan folgendermaßen gewesen, führte der kroatische Präsident laut Nachrichtenagentur Hina aus: „Die Ukraine geht nach Westen, sie hat nichts mit Russland gemeinsam, die Zollunion mit Russland und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist schlecht für die Ukraine, während die EU ein Schlaraffenland sein wird. Acht Jahre später ist die Ukraine immer noch eines der korruptesten Länder der Welt, stagniert wirtschaftlich und hat nichts von der EU bekommen."
Die kroatische Regierung ist ob der Äußerungen empört: Außenminister Gordan Grlić Radman wies sie gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zurück. „Der Präsident spricht nicht für Kroatien, sondern für sich selbst", so der gelernte Diplomat. „Wir sind und bleiben ein loyales Mitglied der Nato.
„Spricht da ein russischer Beamter?"
Regierungschef Andrej Plenković entschuldigte sich sogar bei der Regierung in Kiew. Die Äußerungen des Präsidenten seien „irreal", und sein Statement, dass die Ukraine korrupt sei, beleidigend. „Zuerst dachte ich, es sei ein russischer Beamter, der da spricht."
In Bezug auf den von Milanović angekündigten Rückzug kroatischer Truppen stellte sein Premier fest, dass sich zunächst einmal schon gar keine kroatischen Soldaten in der Ukraine befänden. Erst kürzlich kehrte ein Kontingent aus einem Nato-Verband in Polen zurück. Laut Verteidigungsministerium seien dort aktuell noch mehrere kroatische Offiziere. Der Prozess eines Truppenrückzugs abseits normaler Rotationen sei auch nicht so simpel: Darüber müsse das Parlament entscheiden.
(APA/red.)