Normalisierung

Armenien und die Türkei vor historischem Treffen

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TURKEY-ARMENIA-POLITICS-ECONOMY-DIPLOMACY-CULTURE-LEISUREAPA/AFP/OZAN KOSE
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Der armenische Außenminister, Ararat Mirzoyan, reist im März in die Türkei. Beide Staaten sind seit Jahrzehnten verfeindet und pflegen keine Kontakte, was mit einem türkischen Genozid im Ersten Weltkrieg zu tun hat. Zuletzt setzte aber Tauwetter ein.

Im traditionell feindseligen Verhältnis zwischen Armenien und der Türkei kündigt sich ein überraschendes Tauwetter an: Armeniens Außenminister, Ararat Mirzoyan, soll im März zu einem offiziellen Besuch in die Türkei reisen - das verlautete am Donnerstag aus dem dortigen Außenamt.

Seit der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik Armenien an der Ostgrenze der Türkei 1991 haben beide Staaten keine diplomatischen und kaum wirtschaftliche Beziehungen. Der historisch-psychologische Hintergrund ist hauptsächlich die Verfolgung der christlichen Armenier im Ersten Weltkrieg durch die osmanischen Armee- und Polizeikräfte. Das frühere Königreich Armenien war damals auf Russland und das Osmanische Reich aufgeteilt. Schon in den Jahrzehnten zuvor waren die Armenier im osmanischen Gebiet unterdrückt worden, formierten Widerstandsgruppen.

Historisches Trauma

Nach Kriegsausbruch 1914 kämpften Armenier auf russischer Seite gegen die Türken, und nach dem fürchterlichen Scheitern osmanischer Winteroffensiven im Kaukasus 1914/15 gab die türkische Führung den Armeniern Mitschuld daran.

Den folgenden Angriffen auf armenische Siedlungen und massenhaften Vertreibungen in die syrische Wüste fielen wohl 600.000 bis 1,5 Millionen Menschen zum Opfer. Das gilt heute als einer der ersten systematischen Genozide des 20. Jahrhunderts, doch weigert sich die Türkei, das anzuerkennen. Man gesteht zwar die Übergriffe, nennt die Zahlen aber übertrieben, betont Gewalttaten des armenischen Widerstands und dementiert eine zentrale Panung der gesamten Aktion.

2009 war zwar ein Friedensvertrag zwischen beiden Staaten vorbereitet worden. Er wurde aber nie ratifiziert. Zuletzt gab es erneute Spanungen, weil die Türken im Armenisch-Aserbaidschanischen Krieg 2020 die Aseris mit Material und Informationen unterstützten. Der Krieg endete mit einer schlimmen Niederlage Armeniens; es musste Gebiete, die allerdings großteils auf aserbaidschanischem Gebiet lagen, räumen.

Erster Durchbruch in Moskau im Vorjahr

Seither soll sich Ankara allerdings um eine Annäherung mit dem kleinen und zusehend verarmenden Drei-Millionen-Land bemüht haben. Anfang Jänner berichteten beide Regierungen von einer ersten Gesprächsrunde seit mehr als zehn Jahren, die „positiv und konstruktiv" verlaufen sei. Schauplatz war Moskau. Es gehe um eine Normalisierung der Beziehungen inklusive Öffnung der Grenzen.

art Ararat Mirzoyan in Moscow
art Ararat Mirzoyan in MoscowREUTERS

Der türkische Außenmimister, Mevlüt Çavuşoğlu, sagte am Donnerstag, dass Armeniens Premierminister, Nikol Paschinjan, zugesagt habe, seinen Außenminister sowie einen Sonderbotschafter in die Türkei reisen zu lassen. Es gehe um die Teilnahme an einem diplomatischen Forum in der Küstenstadt Antalya von 11. bis 13. März. Dort werden übrigens auch Vertreter Aserbaidschans erwartet - Ankara will offenbar die führende Rolle bei der Neuordnung der Region spielen.

(Reuters/wg)

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