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Kein Wahlrecht mehr für Zweitwohnsitzer: „Wollen ihnen schlechtes Gewissen machen“

Symbolfoto: Am Weg zum Wahllokal.
Symbolfoto: Am Weg zum Wahllokal.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Das Land Niederösterreich streicht Zweitwohnsitzern das Wahlrecht. So will man (zunehmende) Ummeldungen nach Wien verhindern. Insbesondere angesichts der Ausweitung des Parkpickerls.

St. Pölten. Es habe bei Wahlen in Niederösterreich immer wieder „skurrile Situationen“ gegeben. Da seien in öffentlichen Gebäuden in manchen Gemeinden oft plötzlich zwanzig, dreißig Wähler gemeldet gewesen. So schilderte das Christian Samwald, SPÖ-Klubobmann-Stellvertreter in Niederösterreich, am gestrigen Donnerstag. Bereits in der Vergangenheit wurde oft Kritik an fragwürdigen Zweitwohnsitzen und Scheinmeldungen laut. Eine Änderung des Wahlrechts hat es trotzdem nie gegeben. Dagegen hat sich stets die mit absoluter Mehrheit regierende ÖVP im Land gewehrt.

Am Donnerstag hat neben dem roten Klubobmann-Stellvertreter aber der schwarze Klubobmann Klaus Schneeberger Aufstellung im Landhaus genommen. Er hat die bereits tags zuvor durchgesickerten Pläne verkündet: Auch in Niederösterreich werden künftig – wie in allen anderen Bundesländern mit Ausnahme des Burgenlandes – nur noch Hauptwohnsitzer wahlberechtigt sein.

Warum der Schwenk? „Weil es logisch ist“, sagt Klubobmann Schneeberger. Der Druck aus den Gemeinden auf die ÖVP-Landespartei ist zu groß geworden. Denn die haben zuletzt zunehmend Einwohner verloren. Viele Bürger haben statt Haupt-, Nebenwohnsitze in Niederösterreich gemeldet. Insbesondere die flächendeckende Einführung des Parkpickerls in Wien, die am 1. März schlagend wird, habe zu einer Verschärfung beigetragen. Denn auf das Parkpickerl haben nur in Wien Hauptwohnsitzgemeldete Anspruch. Ein Nachteil für Niederösterreich.

Schätzungen zufolge könnten, wie Schneeberger sagt, bis zu 20.000 Bürger „in Verlegenheit kommen“, ihren Hauptwohnsitz von Niederösterreich nach Wien zu verlegen. Das bekommen die niederösterreichischen Gemeinden finanziell zu spüren. 780 bis 1260 Euro bekomme eine Gemeinde über den Finanzausgleich pro Hauptwohnsitzer vom Bund. Für Zweitwohnsitzer gebe es nichts. Dadurch würden den Gemeinden insgesamt 15 bis 20 Millionen Euro entgehen, rechnet Schneeberger vor. „Relativ große Einbußen.“

Deshalb setzt das Land auf (sanften) Druck. Die Parole heißt: Parkpickerl in Wien oder politisches Mitspracherecht in Niederösterreich. „Wir wollen demjenigen, der sich das Goodie herausnimmt (sich also das Parkpickerl in Wien sichert, Anm.), ein schlechtes Gewissen machen“, sagt Schneeberger. Man wolle die „emotionale“, die „niederösterreichische Seite“ ansprechen und den Leuten erklären, dass die Gemeinde für sie – egal, ob Haupt- oder Nebenwohnsitzer – Geld in die Hand nimmt. Immerhin müsse die Infrastruktur aufrechterhalten bleiben. Die Gemeinden bräuchten das Geld für den Kindergarten, die Schule, die Straßen.

Keine Vorverlegung der Landtagswahl

Das Gesetz soll am 24. Februar im Landtag beschlossen werden und am 1. Juni in Kraft treten. Es kommt bei der nächsten Landtagswahl in Niederösterreich bereits zur Anwendung. Die sollte planmäßig Anfang 2023 stattfinden. Zuletzt wurden aber Gerüchte über eine geplante Vorverlegung laut. „Das ist wie das Ungeheuer von Loch Ness“, sagt Schneeberger. Das Gerücht tauche vor jeder Wahl auf. „Aber wir denken nicht daran, die Wahl vorzuverlegen.“

Ein anderes viel kritisiertes Kuriosum im niederösterreichischen Wahlrecht wird aber bleiben: die nicht amtlichen Stimmzettel. Einzig in Niederösterreich können Parteien eigene vorausgefüllte Stimmzettel drucken. Die können ins Wahllokal mitgenommen und eingeworfen werden. „Bewegung ist gut“, sagt Schneeberger. Deshalb habe man sich in puncto Zweitwohnsitzer anders positioniert. Bei den nicht amtlichen Stimmzetteln sei „die Zeit nicht reif, daran zu rütteln“.

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