Parlamentsvotum

Italiens Präsidentenwahl wird zum Nervenkrieg für die Regierung Draghi

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Hochspannung vor dem sechsten Wahlgang: Die Rechtsallianz schafft es nicht, Senatspräsidentin Casellati als Präsidentin durchzusetzen. Die Kandidatur hatte die Sozialdemokraten verärgert - die sogar mit Regierungskrise drohen.

Nach dem fünften Parlamentsvotum zum neuen italienischen Präsidenten am Freitag herrschte Hochspannung. Die Abstimmung wird zunehmend zum Machtkampf der Parteien - es geht immer mehr auch um die Zukunft der Regierung. Der Grund: Die Rechtsallianz will unbedingt einen eigenen Kandidaten durchsetzen.

Gleich zwei Mal sollte am Freitag gewählt werden. Beim ersten Wahlgang des Tages schickte Lega-Chef Matteo Salvini Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati ins Rennen, obwohl der sozialdemokratische Partito Democratico klar dagegen war. Casellati bekam zwar die meisten Stimmen, aber nicht die notwendige absolute Mehrheit.

Die 75-jährige Casellati ist Mitglied der Forza Italia, Partei von
Ex-Premier Silvio Berlusconi. Die Juristin wäre die erste Staatspräsidentin in der Geschichte Italiens. „Wählt sie!“, gab Berlusconi aus dem Krankenhaus seine Wahlempfehlung ab.

Loyale Anhängerin Berlusconis

Queen Elisabeth“, wie Casellati wegen ihres autoritären Charakters genannt wird, ist eine loyale Anhängerin Berlusconis: Sie war 1994 Mitbegründerin dessen Forza Italia. Und sie stärkte dem damaligen Premier 2010 in der Affäre rund um das minderjährige Callgirl Ruby (Karima el-Mahroug) den Rücken.

Der Medientycoon wäre eigentlich lieber selbst Staatschef geworden, musste aber am vergangenen Wochenende seine Kandidatur zurückziehen: Er hatte nicht genug Unterstützung.

Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta warnte indes: Sollten die rechten Parteien ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin „ohne Zustimmung anderer Parteien“ durchsetzen, könnte dies das Ende der Regierungskoalition bedeuten. Seit einem Jahr führt Premier Mario Draghi ein Kabinett aus fast allen großen Parteien außer der rechtsnationalen Frattelli d' Italia von Giorgia Meloni.

Eine Regierungskrise inmitten der Pandemie kann sich Italien kaum leisten. Zumal das hochverschuldete Euro-Mitglied noch wichtige Reformen auf den Weg bringen muss, die Voraussetzung für die  Auszahlung der mehr als 200 Milliarden EU-Coronahilfen sind.

Zweite Abstimmung um 17 Uhr

Den Staatschef wählt in Italien ein Gremium von 1009 Abgeordneten, Senatoren und Vertretern der Regionen. Die Abstimmung erfolgt geheim.

Die Rechtsallianz verfügt über rund 450 Stimmen. Für die Wahl des Staatsoberhaupts ist eine Mehrheit von 505 Stimmen erforderlich. Laut Medien buhlte Salvini auch um Unterstützung von Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte. Seine Partei ist stärkste Kraft im Parlament. Conte wollte sich aber am Freitag erneut der Stimme enthalten, mehrere Abgeordnete hatten sich offen gegen Casellati ausgesprochen.

Nach der ersten Niederlage am Freitag, war unklar, ob es Salvini am Nachmittag erneut versuchen wird - oder ob er sich doch auf einen Kompromiss mit den Sozialdemokraten einlassen würde. Die Verhandlungen liefen jedenfalls auf Hochtouren.

Es schien möglich, dass er Ex-Außenminister Franco Frattini ins Rennen schicken könnte. Der frühere EU-Kommissar hat aber auch nicht die Unterstützung der Sozialdemokraten.

Auch Draghi ist noch im Rennen

Premier Mario Draghi bleibt indes ein aussichtsreicher Kandidat, offen wird er von den Sozialdemokraten unterstützt, doch auch in der Rechtsallianz gibt es viele Fans für seinen Umzug in den Quirinalspalast.

Sollte aber Draghi in den Quirinalspalast ziehen, wäre es fraglich, ob seine breite Koalition aus allen wichtigen Parteien weiter überleben kann.

Das Staatsoberhaupt wird für sieben Jahre gewählt, er gilt als wichtiger Stabilitätsanker. Vor allem in Regierungskrisen spielt er eine tragende Rolle: Er kann das Parlament auflösen, muss Ministern und Gesetzen zustimmen sowie den Regierungschef nominieren. Bisher wurde bei Präsidenten-Abstimmungen immer darauf geachtet, einen Konsenskandidaten zu wählen.

Mögliche Kandidaten sind zudem Marta Cartabia, die Diplomatin Elisabetta Belloni und der Ex-Präsident der Abgeordnetenkammer, Pier Ferdinando Casini.

Oder doch wieder Sergio Mattarella?

Die Zeit drängt: Das Mandat des scheidenden Präsidenten Sergio Mattarella läuft am 3. Februar aus. Der 80-jährige Mattarella hatte keine Bereitschaft zu einer Mandatsverlängerung signalisiert, zumal eine zweite Amtszeit normalerweise nicht vorgesehen ist. Mattarella hatte sich sogar dafür ausgesprochen, die Begrenzung auf eine einmalige, siebenjährige Amtszeit verfassungsrechtlich zu verankern. 

Aber die Stimmen nach seiner zweiten Amtszeit werden lauter. Bei den Abstimmungen zu Wochenbeginn hatte er die meisten Stimmen erhalten, auch am Freitag stimmten zahlreiche Wahlmänner und -frauen für ihn. Möglich ist, dass er als Notlösung doch noch ins Spiel kommt.

Bisher wurde nur ein einziger Präsident zwei Mal gewählt - Giorgio Napolitano im Jahr 2013. Auch er hatte mehrmals gesagt, nicht wieder antreten zu wollen. Im sechsten Wahlgang trat er aber nach Bitten prominenter Politiker aus verschiedenen politischen Lagern doch an - und wurde entgegen seiner vorherigen Absicht wiedergewählt. Auch damals befand sich Italien wieder einmal inmitten einer politischen Krise.

Wobei Napolitano nur bis 2015 im Amt blieb - aufgrund seines hohen Alters. Immerhin war er damals schon 89 Jahre alt.  (basta)

(basta)

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