Wort der Woche

Wiedervernässung

Trockengelegte Moore setzen sehr viel CO2 frei. Das lässt sich durch Wiedervernässung verhindern – und Paludikultur ermöglicht eine schonende Nutzung dieser Flächen.

Feuchtgebiete zählen zu den ökologisch wertvollsten und gleichzeitig gefährdetsten Biotopen. Um Moore landwirtschaftlich, etwa als Wald oder Grünland, oder zum Torfabbau nutzen zu können, wurden und werden sie großflächig entwässert.

Das hat gravierende Folgen: Erstens werden einzigartige Lebensräume für hoch spezialisierte Arten zerstört. Zweitens wird der trockengelegte Torf belüftet, der gespeicherte Kohlenstoff entweicht als CO2: Weltweit ist in Mooren doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern; die Emissionen aus entwässerten Mooren werden auf fünf Prozent der Treibhausgasemissionen geschätzt – doppelt so viel wie durch Flugverkehr. Drittens schrumpft der trockene Moorboden, die Oberfläche sackt jährlich um mehrere Zentimeter ab (ein Problem v. a. in Küstenregionen). Und viertens geraten entwässerte Moorböden in den Tropen immer wieder in Brand – und sind kaum zu löschen.

Daher wächst das Bewusstsein, diese besonderen Standorte zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Die schlimmsten Folgen der Moor-Degradation können durch Wiedervernässung rückgängig gemacht werden: Sobald der Torf wieder unter Wasser steht, sinken die CO2-Emissionen, Moorsackung und mögliche Brände werden gestoppt.

Eine komplette Renaturierung ist aber nur selten möglich. In jüngster Zeit kristallisierte sich eine andere Lösung heraus: die „Paludikultur“ (von lat. „palus“, Sumpf). Dabei werden auf wiedervernässten Moorböden standortangepasste Pflanzen wie etwa Schilf, Seggen, Sauergräser, Rohrkolben, Moose, Farne, Kräuter, Stauden, Bambus usw. angebaut – oder auch Wasserbüffel oder Fische gezüchtet.

Im Detail sind noch viele Fragen zu klären, entsprechend viel wird weltweit geforscht. So untersuchen Forscher der Uni Wien – aufbauend auf Pionierarbeit der Uni Greifswald – die Eigenschaften von Torfmoosen als Ersatz von Torf in Gartenerde. In Irland werden Paludikultursysteme mit kombinierter Algen- und Fischzucht erprobt, die gleichzeitig als Pflanzenkläranlage fungieren. In Indonesien optimieren Forscher traditionelle Kultivierungsmethoden von nassen Böden und in Ruanda wird eine Paludikultur von Papyrus getestet.

Die Hoffnung dahinter ist, dass die Erlöse aus der „nassen Landwirtschaft“ zusammen mit öffentlichen Förderungen (Naturschutz, Klimaschutz, „Carbon Farming“) genügend Anreize schaffen, damit möglichst viele Moorböden wieder unter Wasser gesetzt werden können.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2022)

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