Modeindustrie

Wo bleibt die nachhaltige Männermode?

Nachhaltige Mode zielt primär auf Konsumentinnen ab.
Nachhaltige Mode zielt primär auf Konsumentinnen ab.(c) 2022 Getty Images
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Recyceltes Polyester, CO2-arme Produktion, faire Löhne. Nachhaltigkeit oder zumindest „Greenwashing“ sind mittlerweile auch in den größten Fashion-Konzernen angekommen. Doch sie haben nur eine Zielgruppe: Frauen.

„Nachhaltigkeit“ ist schon lange zu einem inflationär gebrauchten Allerweltsbegriff geworden - nirgends zeigt sich das so wie in der Mode- und Bekleidungsindustrie. Neben ernst gemeinten Versuchen, die Modebranche nachhaltiger zu gestalten und Konsumverhalten zu verändern, passiert hier vor allem viel „Greenwashing“, also Pressearbeit, die darauf abzielt, ein Unternehmen ins richtige, umweltfreundliche Licht zur rücken, auch wenn die tatsächlichen Praktiken des Unternehmens ganz andere Rückschlüsse nahelegen.

Eines haben die beiden Zugänge zur Nachhaltigkeit in der Modewelt aber gemein - sie zielen primär auf Konsumentinnen ab. Laut Daten der App „Good On You“, die ein umfassendes Verzeichnis nachhaltiger Marken und Labels bietet und diese nach verschiedenen Kriterien bewertet, gibt es mehr als doppelt so viele Anbieter für nachhaltige Frauenkleidung wie Männerkleidung.

Der „Öko Gender Gap“ 

Der Begriff „Eco Gender Gap“ kommt aus Großbritannien und benennt das Phänomen, dass immerhin 71 Prozent der britischen Frauen versuchen, nachhaltiger zu leben, während sich nur 59 Prozent der britischen Männer den gleichen Vorsatz genommen haben: Fleischverzicht, weniger Konsum, Ernährungsumstellung - hierzu sind Frauen eher bereit als Männer.

Ist das nicht vorhandene Angebot ethischer Mode also auf fehlende Nachfrage zurückzuführen? Oder richtet sich das geringere Interesse von Kunden nach der mangelnden Verfügbarkeit? „Weder noch“, sagt zumindest die Datenlage. Während Männer zwar nur 30 Prozent der User von „Good On You“ ausmachen, konzentrieren sich immerhin 70 Prozent der Suchanfragen mit Genderbezug auf der App auf Männerkleidung - fehlende Bereitschaft zur aufwändigeren Suche kann man Männern also jedenfalls nicht vorwerfen.

Marketingstrategie „Frauenmode“ 

Wahrscheinlicher ist, dass das ungleiche Verhältnis eine generelle Disparität in der Modebranche widerspiegelt. Der Fokus auf Frauenkleidung ist der Modeindustrie auch abseits der Bemühungen um Nachhaltigkeit inhärent. Nachdem 70 bis 80 Prozent aller Kaufentscheidungen bezüglich Bekleidung von Frauen getroffen werden, ist es auch für nachhaltige Labels wirtschaftlich gescheiter, auf Frauenmode zu setzen: Der Gender-Gap bei nachhaltiger Mode, ist sozusagen dem allgemeinen Gender-Gap der Modeindustrie nachempfunden. In anderen Produktkategorien, wie etwa im Bereich Mobilität, ist die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Alternativen wie Elektroautos männlich dominiert.

Sollte die tatsächliche Umstellung auf Nachhaltigkeit nicht mehr sein als eine Nischen-Marketingstrategie, die immer nur ein bestimmtes Segment der potenziellen Kundschaft anspricht? Genderspezifisches Marketing überzeugt gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht, besonders wenig.

Teilhabe am System Mode

Dieses stereotype Marketing sorgt gemeinsam mit westlich normierten Schönheitsstandards dafür, dass Mode weiterhin als elitäres System wahrgenommen wird, an dem nicht jeder Mensch auf gleiche Weise teilhaben kann. Bevorzugt richtet es sich an weiße, normschöne Frauen. Dabei wird diese Teilhabe dadurch definiert, wer wie oft nach Trends shoppt, und sich Gedanken macht, was gerade in ist. Die eigentliche Partizipation am System Mode passiert aber durch das Tragen von Kleidung und hat somit nicht zwingend mit Geschlecht zu tun.

>>> zur App „Good On You"

(chrima)

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