Nationale Strategie

38 Maßnahmen gegen die "Schande" Antisemitismus

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und IKG-Präsident Oskar Deutsch berichteten am Montag über die nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS).
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und IKG-Präsident Oskar Deutsch berichteten am Montag über die nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS). (c) APA/HANS PUNZ
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„Verrückt hoch“ sei die Zahl der antisemitischen Vorfälle, beklagt Oskar Deutsch, Präsident der Israelitschen Kultusgemeinde. Ein Jahr alt ist nun die nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS), die dagegen ankämpfen soll.

Ein Jahr ist es her, dass Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP) mit der Israelitischen Kultusgemeinde und dessen Präsidenten, Oskar Deutsch, die nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS) in Angriff genommen hat. Bei der Präsentation des ersten Zwischenberichts am Montag sprach die Ministerin von einem „Marathon“, Deutsch wiederum von einem „steinigen Weg“ und einem Kampf „gegen ein Jahrtausende altes Virus“, den man damit angegangen sei. Angesichts der aktuellen Entwicklungen rund um die Anti-Corona-Demos ist der Kampf gegen Antisemitismus aktueller denn je.

Durchaus „stolz“ sei Edtstadler auf das bereits Geschaffte, wie sie bei der Pressekonferenz im Kanzleramt betonte: Von den in der NAS fixierten 38 Maßnahmen konnten inzwischen zumindest neun gänzlich umgesetzt werden. Erst in der Vorwoche überzeugte sich Edtstadler bei einem Besuch im Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) vom neuen Modul gegen Antisemitismus in den Wertekursen für Asylwerber. Ähnliche Schulungen gibt es nun auch für Angehörige der Polizei, der Justiz und des Bundesheeres, etwa einen verpflichtenden Besuch des KZ Mauthausen. Der Justiz ist es mit dem sogenannten „Flagging“ nun möglich, Motive und Hintergründe einer Tat zu erfassen. Mit dem einstimmig im Parlament beschlossenen Kulturerbegesetz wird jüdisches Kulturgut und Leben mit vier Millionen Euro pro Jahr gefördert.

Auch die neue Holocaust-Gedenkstätte für die rund 64.000 österreichischen Opfer der Shoah, für die Initiator Kurt Tutter fast 20 Jahre lang gekämpft hatte, verbucht man als Erfolg der NAS. Ihre Finanzierung wurde jedoch schon unter Türkis-Blau zugesagt und geht nicht zuletzt auf die persönliche Initiative von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zurück, der das Projekt nach einem Treffen mit Tutter 2018 vorangetrieben hatte. Die Kosten für die Gedenkstätte übernahm zum Großteil der Bund. Eröffnet wurde sie am 9. November im Wiener Ostarrichipark. Darüber hinaus kaufte der Bund im Vorjahr das KZ-Außenlager von Mauthausen im oberösterreichischen Gusen. Im KZ Auschwitz wurde eine neue Länderausstellung eröffnet, die die Täterrolle Österreichs in den Fokus nimmt. Mit der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vereinbarte Ex-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zudem ein eigenes Zentrum zur Erforschung von Antisemitismus.

Wilde Mischung bei Anti-Corona-Demos

Die NAS sei keine „Fleißaufgabe“ der Ministerin, betonte Deutsch. Vielmehr ginge es um eine zivilgesellschaftliche Allianz gegen Antisemitismus. „Auch wenn Sie es nicht mehr hören können, werde ich nicht müde, zu betonen, dass es die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen ist, gegen Antisemitismus und Extremismus aufzustehen“, sagte der IKG-Präsident.

Insbesondere die wöchentlichen Anti-Corona-Demos machen aktuell deutlich, woher der Antisemitismus grundsätzlich kommt: aus der Mitte der Gesellschaft. Was sonst oft nur digital auf Social Media gepostet oder kommentiert wird, zeigt sich dort auf Plakaten der wilden Mischung aus „Normalbürgern“, Verschwörungstheoretikern und Staatsverweigerern ganz analog („Impfen macht frei“, Davidstern, der Ungeimpfte markiert, etc.). „Ich hatte geglaubt, so etwas werde ich nur noch in Geschichtsbüchern lesen“, sagte Edtstadler über die Holocaust-Verunglimpfungen von Demonstranten, die die FPÖ zuletzt aus Angst vor dem Verlust von Grundrechten verteidigte. „Das ist eines Landes wie Österreich unwürdig. Das ist eine Schande“, sagte Deutsch. „Schaut, wer da mitgeht“, appellierte Edtstadler, und „wem man dort die Bühne gibt“.

Aktuelle Zahlen zu den antisemitischen Vorfällen (Beleidigungen, Bespucken, tätliche Angriffe u.ä.) in Österreich gibt es für das vergangene Jahr aber noch nicht. Der Antisemitismusbericht 2021 werde erst in den kommenden Wochen fertig, sagte Deutsch am Montag. Die bisherigen Zahlen für das erste Halbjahr des Vorjahres sind jedoch bereits dramatisch: Mit 562 gab es in den ersten sechs Monaten beinahe so viele Vorfälle wie im gesamten Jahr 2020 (580). Die Zahlen seien „verrückt hoch“, sagte Deutsch. „Mit ihnen kann man nur sehr schwer leben“.

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