Die Ich-Pleite

Mit Dingen streiten

Carolina Frank
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Die Dinge brauchen uns nicht mehr. Sie können ganz von allein Boden saugen oder einparken. Und sie sitzen immer am längeren Ast.

Wir sind umgeben von intelligenten Dingen, die uns das Leben erleichtern. Viele davon sind so intelligent, dass sie die intelligenten Wesen, die sie erschaffen haben, gar nicht mehr brauchen. Sie können ganz von allein Boden saugen, Einkaufslisten schreiben, Bestellungen abschicken, einheizen, das Badewasser einlaufen lassen oder einparken. Bald haben wir Teppiche, die uns abwiegen, T-Shirts, die vor Corona warnen, und Woll­mützen, die verlangen, dass wir sie aufsetzen. So mancher wird vielleicht glauben, er ist wieder daheim bei der Mama.

Da kann es dann vielleicht ­passieren, dass man mit den Dingen zu streiten beginnt. Ist das schon Orts­gebiet oder kann ich noch ein paar Meter mit 70 km/h weiterfahren? Ist die Tonerkassette schon leer, oder ist nur die Schrift ein bisschen blasser, aber Hauptsache, man kann es noch lesen? Aber im Unterschied zur Mama damals hilft kein treuherziger Blick, kein Schmollen und kein Liebesentzug. Das intelligente Ding sitzt immer am längeren Ast. Es bremst einfach oder verweigert den Druck. Das muss so einem intelligenten Ding einen Machtrausch bescheren. Kann sogar sein, dass es auf die weniger intelligenten Dinge herabschaut.

Dabei haben auch die dummen Dinge die Macht, einem pädagogisch zu kommen. Mir fallen da die Plastikmüllsäcke ein. Im einschlägigen Handel gibt es zwei ­Sorten. Die, bei denen die Perforation einreißt, und die, bei denen die Zugbänder einreißen. Mit beiden bekommen die Müllsäcke Löcher, durch die schimmlige Essensreste mit Soße, ­vollgesogene Tschiks mit Asche oder fettbeschmierte Einpackpapierln im ­ganzen Haus verstreut werden. Und wenn dann die Nachbarin sagt: „Was, du rauchst noch?“ Oder: „Das gehört ­aber in den Biomüll!“, haben sie ­gewonnen.

("Die Presse Schaufenster" vom 28.12022)

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