In Österreich wird das Gas knapp. Für die Politik ist das ein Weckruf, sich von der reinen Lehre zu verabschieden. Wir brauchen nicht nur saubere, sondern auch sichere Energie.
Was ist das für ein Winter? China verpulvert 49 Millionen Liter Wasser, um bei den umstrittensten Winterspielen seit Jahrzehnten wenigstens genug Kunstschnee zu haben. Pasta in Italien kostet quasi über Nacht um die Hälfte mehr. Und jetzt soll in Österreich auch noch das Gas ausgehen?
Keine Sorge: Auch wenn Österreichs Gasspeicher erschreckend schwach gefüllt sind, wird deshalb niemand frieren müssen. Die privaten Gaskunden haben genug Ärger mit den gestiegenen Rechnungen, ihr Gas ist ihnen dafür wenigstens sicher. Dass umgekehrt die Unternehmen aber ernsthaft zittern müssen, ob sie bis zum Ende des Winters auch ausreichend Erdgas geliefert bekommen, ist tragisch genug.
Abhängig von Putins Gnaden
Die Politik wurde von der Krise am falschen Fuß erwischt, war aber rasch mit einer Deutung der Ereignisse zur Stelle: Schuld sei Europas Abhängigkeit von fossilen Rohstofflieferanten zwischen Moskau und dem Nahen Osten. Die Wende hin zu einer autarkeren Energieversorgung auf Basis grüner Technologien müsse umso schneller vorangerieben werden. Das stimmt! Niemand will von Putins Gnaden abhängig sein und der Ausbau der Erneuerbaren ist mittel- und langfristig der beste Ausweg aus dem Dilemma. Aber wer seine Analyse hiermit beendet, macht es sich zu einfach. Europas Energie muss nicht nur sauber, sondern auch sicher sein.
Doch so richtig sicher ist die Energieversorgung mit Sonne, Wind und Wasser leider noch immer nicht. Alles ist gut, solange das Wetter mitspielt. Die Realität sieht oft anders aus. Im Ökostromland Österreich war am gestrigen Montag etwa Flaute und kaum Sonnenschein. Die Flusskraftwerke hielten die Fahne der Erneuerbaren zwar wacker in die Höhe. Den meisten Strom lieferten aber – einmal mehr – die Gaskraftwerke im Land. Gut, dass es wenigstens noch genug Gas zum Verheizen gab.
Klimaschutz vs. Sicherheit
Dass Rufe nach mehr Versorgungssicherheit dennoch nicht gerne gehört werden, hat einen guten Grund: Zu oft haben Staaten das Argument der sicheren Energieversorgung missbraucht, um die grüne Wende zu bremsen. Japan subventioniert seit Kurzem den Benzinpreis, obwohl das Land erst im November am Klimagipfel in Glasgow das Gegenteil versprochen hatte. Auch Peking gibt gerne den großen Klimaschützer, lässt gleichzeitig aber hunderte Kohlekraftwerke errichten. Aus Sorge um die Versorgungssicherheit, versteht sich.Die Gefahr, dass der Klimaschutz in Krisenzeiten schnell hintangestellt wird, ist real.
Trotzdem gibt es ein paar simple Wahrheiten, die wir nicht länger ignorieren sollten: Europas Abhängigkeit endet nicht mit dem letzten Tropfen Öl, den der Kontinent verbraucht. Auch die grünen Kraftwerke brauchen spezielle Rohstoffe, die viel zu oft in den Händen weniger Lieferanten konzentriert sind. Und solange sich Strom nicht besser speichern lässt als bisher, brauchen wir ausreichend Back-Up-Kraftwerke und Reserven. Andernfalls drohen nicht nur hohe Energiepreise, sondern es steigt auch die Gefahr von Blackouts und Versorgungsengpässen. Passiert das, wäre die grüne Wende wohl rasch wieder am Ende. Mehr Reserven können also helfen, die Umstellung auf eine klimafreundlichere Welt auch wirklich durchzuziehen. Selbst wenn sie in Gasspeichern lagern.