Amanshausers Album

Nahe aktiven Vulkanen

Vulkanausbruchslevel zwei von vier: Langsam fällt die Dämmerung am Mount Yasur ein.
Vulkanausbruchslevel zwei von vier: Langsam fällt die Dämmerung am Mount Yasur ein.Martin Amanshauser
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Überall brechen in diesen Monaten Vulkane aus. Ich blickte nur einmal in die Glut – in Vanuatu.

Auf Süd-Tanna, im pazifischen Inselstaat Vanuatu, begegnete ich erstmals einem aktiven Vulkan, dem 361 Meter hohen Mount Yasur. Der Monopolist „Tanna Vulcano Safari Tours“ verlangt 100 Euro Eintritt. Die Gäste müssen unterschreiben, für alles, was ihnen dort oben zustoßen mag, sämtliche Verantwortung zu übernehmen. Die Tour transportiert sie mit Pickup- Trucks zu einem hoch gelegenen Aschenfeld-Parkplatz. Das Stück bis zum Kraterrand wird zu Fuß bewältigt. Oben, mit direktem Blick in den Trichter, fehlt zu meiner Verblüffung jegliches sichernde Geländer. 200 Meter tiefer brodelt die Suppe – eine weiche, kochende Masse. Unter den Füßen ein schwankender Boden. Bei einem falschen Schritt würde man den Abhang hinunterschlittern. Zerschellte man nicht an den Felsen oder erstickte in den Gasen, könnte man ein Vulkanspa-Bad in den Lavamassen genießen.

Aus seinen vier Löchern eruptiert der Yasur alle paar Minuten, spuckt Lavastücke in die Luft, schleudert sie hoch. Sie stürzen ab, rollen felsaufwärts, flackern einige Zeit, erstarren. Bei manchen Explosionen fliegen Fetzen, bei anderen bauschen sich Rauchwolken auf. Der scharfe Lavasand, vom Wind herbeigepeitscht, schmerzt in den Augen und auf der Haut, setzt sich an der Kleidung und hinter den Ohren fest.

Langsam bricht die Dämmerung ein. Ein australisches Pärchen mit Handystäben versucht, jeder von sich selbst, Selfies vor dem Lavaloch anzufertigen. Zu ihrem Leidwesen gelingt ihnen das Selfielächeln während der Explosionen nie so recht. Die plötzlichen Knalle erschrecken sie zu sehr. Als der Mann sich dem Abgrund nähert, sagt die Frau: „Dave, take care! Wie soll ich das sonst deiner Mutter erklären?“

Bei zunehmender Dunkelheit scheint sich die Kraft der unterirdischen Masse schaurig zu verstärken. Fantastisch, wie unverdrossen der Yasur Lava spuckt, seit 800 Jahren. Meistens läuft er auf Level eins – oder auf zwei, wie heute. Erreicht er Level drei, bleiben die Touren unten am Parkplatz. Dann schlagen die Lavastücke dort ein, wo wir jetzt stehen. „Level vier wäre sehr ungemütlich“, sagt einer der Guides.

("Die Presse Schaufenster" vom 28.1.2022)

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