Krieg gegen den Terror

IS-Chef al-Kuraschi bei US-Militäraktion in Syrien getötet

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FILES-US-SYRIA-CONFLICT-IDLIBAPA/AFP/US DEPARTMENT OF STATE/H
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US-Spezialeinheiten hatten am frühen Morgen in einem Dorf nahe der türkischen Grenze angegriffen. Al-Kuraschi, seit 2019 „Kalif“, sprengte sich samt Angehörigen selbst in die Luft.

Ein Angriff amerikanischer Spezialeinheiten in Nordwestsyrien am frühen Donnerstagmorgen hat dem aktuellen Führer der Terrormiliz „Islamischer Staat", Abi Ibrahim al-Haschimi al-Kuraschi, gegolten. Das bestätigte am frühen Nachmittag US-Präsident Joe Biden persönlich. Alle beteiligten Einheiten seien sicher und ohne Verluste zurückgekehrt. Der IS-Führer sei „vom Schlachtfeld genommen" worden, das habe „die Welt zu einem sichereren Ort gemacht".

Biden wollte noch am Donnerstag in einer Rede an die Nation weitere Details bekannt geben. Informationen zufolge hat sich al-Kuraschi bei der Militäraktion selbst in die Luft gesprengt, und zwar gemeinsam mit Familienmitgliedern.

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TOPSHOT-SYRIA-US-CONFLICT-IDLIBAPA/AFP/AAREF WATAD

Kurz vorher hatten US-Militärmedien unter Berufung auf Informanten aus dem Irak und den USA angedeutet, dass al-Kuraschi das Ziel gewesen sein könnte. Ein Sprecher des Pentagons hatte derweil nur trocken von einer „erfolgreichen Aktion" gegen Terroristen gesprochen, über deren Details man später Informationen liefern werde.

Dorf hart an der türkischen Grenze

Die zunächst nicht näher beschriebenen Spezialeinheiten (womöglich Navy Seals oder Delta Force) schlugen demnach in einem Dorf namens Atmeh in der Region Idlib zu; es liegt westlich von Aleppo hart an der Grenze zur Türkei. Lokale Helfer, die danach an den Schauplatz kamen, berichteten von 13 Toten, die man gefunden habe, darunter sechs Kinder und vier Frauen. Sie dürften aus dem Umfeld des IS-Chefs stammen. Die Toten seien allesamt auf die Bombenexplosion zurückzuführen, hieß es später in Washington. Dabei wurden Körper und Körperteile aus dem Haus hinaus in die nähere Umgebung geschleudert.

Ein Zeuge berichtete, dass kurz nach ein Uhr mindestens ein Flugzeug oder Hubschrauber sehr tief über sein Haus geflogen sei, sodass die Fenster klirrten. Wenig später habe jemand mit saudischem oder irakischem Akzent durch einen Lautsprecher gerufen, dass Frauen die Flucht ergreifen oder sich stellen sollten. Eine Dreiviertelstunde später habe die Schießerei bei einem Haus in der Nähe begonnen und mehr als zwei Stunden gedauert, wie andere Zeugen bestätigten.

Ein Hubschrauber selbst gesprengt

Die Rede war auch von einer massiven Explosion. Später sagte ein anonymer US-Militär, dass einer der eingesetzten Hubschrauber defekt geworden sei und man ihn gesprengt habe.

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SYRIA-US-CONFLICT-HELICOPTERAPA/AFP/RAMI AL SAYED

Al-Kuraschi, ein 1976 gebürtiger Iraker turkmenischer Ethnie, hatte die Gruppe nach dem Tod deren Gründers Abu Bakr al-Baghdadi im Oktober 2019 übernommen. Er war Theologe und Jurist und konnte es angesichts der Niederlage des IS und der Verharrung dessen noch freier Kräfte im Hintergund nie zu besonderer Prominenz bringen. Er war al-Baghdadis Wunschnachfolger und von einem „Schura-Rat" gewählt worden, doch sprachen ihm später Teile des IS aus verschiedensten Gründen die Legitimität als neuer „Kalif" ab. Dennoch trudelten im Lauf der Zeit viele Treuegelöbnisse von IS-„Filialen" und anderen islamistischen Milizen ein, etwa aus dem Sinai, dem Irak, Pakistan, Bangladesch, Somalia, dem Jemen, Tunesien, Mali, Burkina Faso, Indonesien etc.

Schattenhafte Figur ohne Prominenz

Letztlich blieb er eine schattenhafte Figur, brachte aber zuletzt eben doch irgendwie eine teilweise Belebung der IS-Kräfte in Nahost zustande. Sein berühmt-berüchtigter Vorgänger al-Baghdadi war nach der Niederlage seiner ultrabrutalen islamistischen Kämpfer im Irak und Syrien ebenfalls in der Region Idlib von US-Spezialeinheiten angegriffen worden. Interessanterweise an einem Ort nur wenige Kilometer von dem Dorf Atmeh entfernt.

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SYRIA-US-CONFLICT-IDLIBAPA/AFP/AAREF WATAD

Damals waren es die Delta Force und eine Sondertruppe der Armee, die „Night Stalkers". Al-Baghdadi hielt sich im Haus eines Vertrauten auf, ergab sich nicht, ein Gefecht mit ihm und zahlreichen IS-Kämpfern begann. Er zog sich zusammen mit zwei Kindern in einen Fluchttunnel zurück und zündete dort, als ein Armeehund in den Tunnel eindrang, eine Sprengstoffweste. Er und die Kinder starben, der Hund namens „Conan" wurde leicht verletzt.

Rückzugsraum für Terroristen

Die Region Idlib ist eine der letzten Gegenden Syriens, die die Regierungstruppen noch nicht zurückerobert haben. Sie wird von Kräften kontrolliert, die von der Türkei unterstützt werden, und gilt generell als Fluchtzone für Kämpfer des IS und andere moslemische Extremisten.

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SYRIA-US-CONFLICT-IDLIBAPA/AFP/ABDULAZIZ KETAZ

Der US-Angriff fand vor dem Hintergrund eines lokalen Wiedererstarkens des IS in den vergangenen Monaten statt. Kürzlich hatte eine große Zahl seiner Anhänger ein von Kurden betriebenes Gefängnis für IS-Kämpfer und deren Angehörige (gesamt mehr als 3000 Insassen) in Nordostsyrien angegriffen. Es entwickelte sich eine zehntägige Schlacht, in deren Verlauf mehr als 120 kurdische Soldaten und Gefängniswärter und wohl noch mehr IS-Kämpfer fielen. (wg/ag.)

(wg)

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