Thermische Systeme

Heizen mit grüner Energie: Wie die Wärmewende gelingt

Die Energieversorgung wird völlig neu aufgestellt werden müssen, um wirklich nachhaltig zu sein, sagt Doris Rixrath, Leiterin eines neuen Josef-Ressel-Zentrums an der FH Burgenland. Sie und ihr Team erforschen, wie die Wende gelingen kann.

Was genau im Hintergrund passiert, wenn wir die Heizung einschalten, wissen die wenigsten von uns“, erklärt Doris Rixrath von der Fachhochschule Burgenland. Tatsächlich werden die Systeme, die dafür sorgen, dass die Energie – etwa für das Heizen – verfügbar ist, wenn wir sie brauchen, zunehmend komplexer. „Und damit diese Systeme auch in Zukunft funktionieren, braucht es ein Zusammenspiel von vielfältigen Ansätzen“, ist die Forscherin überzeugt. Das Josef-Ressel-Zentrum für vernetzte Systembewertung einer nachhaltigen Energieversorgung, dem sie als Leiterin vorsteht und das vor wenigen Tagen am Standort Pinkafeld der FH eröffnet wurde, versucht, solche Systeme in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit zu durchleuchten.

Im Vordergrund stehen dabei thermische Systeme. Sie dienen in erster Linie der Wärmeversorgung. Angesichts des Klimawandels wird aber auch die Versorgung mit Kälte zum Kühlen in Zukunft immer wichtiger werden, sind sich die Experten einig. Die Vision: möglichst umweltfreundliche Systeme, „in denen der Konsument gleichzeitig auch Produzent ist“. Das heißt: Jeder bezieht nicht nur Energie, sondern erzeugt diese auch, beispielsweise über eine Fotovoltaikanlage, und stellt sie sowie seine Speichermöglichkeiten zur Verfügung. Der Netzbetreiber greift dann darauf zu, wenn entsprechende Nachfrage besteht.

„Thermische Netze können einen bedeutenden Beitrag zur Dekarbonierung des Wärme- und Kältesektors leisten“, sagt Rixrath. „Sie müssen allerdings noch effizienter werden und verstärkt erneuerbare Energien einbinden, damit die Klimaziele, etwa ein klimaneutrales Wien 2040, tatsächlich erreicht werden.“ Ein Beispiel für solche Systeme sind Fernwärmenetze. Ein knappes Viertel aller Wohnungen in Österreich ist derzeit daran angeschlossen. Das Team des Josef-Ressel-Zentrums untersucht anhand der bestehenden Fernwärmesysteme in Wien und im Burgenland, wie mehr Effizienz und Nachhaltigkeit erreicht werden können.

Den ganzen Lebenszyklus durchspielen

„Unsere Aufgabe ist es, Bewertungsmethoden für solche thermischen Systeme zu entwickeln“, umreißt Rixrath die Herausforderung. Mithilfe von Computersimulationen und komplexen Modellierungen werden verschiedene Szenarien durchgespielt, um die Systeme zu optimieren. „Wichtig ist, dass dabei der gesamte Lebenszyklus, von der Errichtung der Infrastruktur über die Nutzung bis hin zum möglichen Recycling, abgebildet wird.“ Den Forschern geht es nicht nur um die Ökobilanz. Dafür gebe es bereits wissenschaftlich fundierte Bewertungsmethoden – wenngleich diese im Rahmen des Forschungsvorhabens erweitert werden sollen: „Einzubeziehen sind neben den Schadstoffemissionen beispielsweise Faktoren wie der Rohstoffabbau und die Landnutzung durch den Bau von Anlagen“, sagt Rixrath. Ebenso wichtig ist die soziale Nachhaltigkeit. „Die Versorgung mit regionaler Energie trägt ja auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei. Wir müssen aber angesichts der Globalisierung ebenso auf die Lieferketten schauen und inwieweit dabei Parameter wie zum Beispiel die Sicherheit am Arbeitsplatz eingehalten werden.“

Letztlich nehmen sich die Forscher auch der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit an. „Wir wollen Geschäftsmodelle entwickeln, die die Nutzung erneuerbarer Energieträger zu einer Win-win-Situation für den als Nutzer und als Anbieter fungierenden Haus- bzw. Wohnungsbesitzer, für die großen Energieerzeuger und für die Netzbetreiber macht“, so Rixrath. Um grüne thermische Energie möglichst effektiv zu nutzen, könnte es sich als notwendig erweisen, den Wärmeverbrauch künftig analog zum Strom in 15-Minuten-Einheiten nach Herkunft – im Fernwärme-Mix befindet sich Energie aus Biomasse, Großwärmepumpen, Industrieabwärme usw. – aufzuschlüsseln, meint die Forscherin.

Ob das tatsächlich sinnvoll und auch möglich ist, ist eine weitere Frage, die die Forscher beantworten wollen. Das Josef-Ressel-Zentrum wird von Energie Burgenland, Wien Energie sowie vom Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft finanziell unterstützt.

In Zahlen

1200 Kilometer lang ist das Fernwärmenetz in Wien. Damit ist es eines der längsten der Welt. Mehr als 400.000 Wohnungen sind angeschlossen. Insgesamt heizen in Österreich knapp zwei Millionen Haushalte mit Fernwärme.

33 Prozent
der in Österreich für das Heizen benötigten Energie stammen laut Statistik Austria aus Biomasse, etwa fünf Prozent aus anderen erneuerbaren Quellen. Es gibt große regionale Unterschiede. 50 Prozent des Energieverbrauchs in Wien – rund 18.000 Gigawattstunden – entfallen jedenfalls auf das Heizen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2022)

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