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Was Filme uns über den Ukraine-Konflikt lehren

Seit 2014 befindet sich die Ukraine in einem dauerhaften Krisenzustand, der sich immer weiter verschärft. Das Kino legte dabei von Anfang an Zeugenschaft ab. Eine Rundschau quer durch die Streaming-Anbieter.

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„Atlantis“ und andere Kriegsfolgen

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

Die Worte wollen wohl gewogen sein. Am Mittwoch legte Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses, die gängige Formulierung, ein russischer Einmarsch in die Ukraine würde „unmittelbar bevorstehen“, ausdrücklich ad acta. Ob Putin sich dafür entschieden habe oder nicht, sei nämlich unklar. Eine Form verbaler Deeskalation, die erneut Hoffnung auf eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise keimen lässt.

Diese hat freilich auch ohne jüngere Drohkulissen Kriegscharakter. Viele Filme, die sich seit 2014 mit der Region beschäftigten, nehmen die Auswirkungen des bewaffneten Kampfes direkt oder indirekt in den Blick. Walentyn Wassjanowytschs „Atlantis“ (auf Mubi) imaginierte schon 2019 ein Kriegsende im Jahr 2025: Die Ostukraine ist zum Trümmerland verkommen, das in Breitwand-Tableaux vermessen wird. Sauberes Wasser ist in dieser Welt ein knappes Gut. Keine Fiktion, wie die Arte-Reportage „Re: Wasser für den Donbass“ (2021, auf arte.tv) zeigt: Gewalt im Grenzgebiet ist ein reales Problem für die Wasserversorgung.
Indes hat das „Vice“-Newsmagazin 2018 die Kurzdoku „Out of Control: Ukraine's Rogue Militias“ auf YouTube gestellt – ein Einblick in den Alltag der sogenannten Freiwilligenarmee, die im Konflikt auf ukrainischer Seite kämpft.

„Maidan“: Wie alles begann

Am Anfang war der Aufstand

Auslöser der heutigen Ukraine-Krise war, noch vor der Krim-Annexion, der Umsturz des „Euromaidan“ – so benannt nach dem Kiewer Platz, auf dem sich ab 2013 proeuropäische Proteste gegen den damaligen Präsidenten, Viktor Janukowitsch, formierten. Eine etwas gar einseitige Darstellung der Ereignisse findet sich in der Netflix-Doku „Winter on Fire: Ukraine's Fight for Freedom“ (2015). Interessanter und formal raffinierter ist Sergei Loznitsas Dokumentarfilm „Maidan“ (2014, bei dafilms.com), der die Vielstimmigkeit und Vielschichtigkeit der chaotischen Revolte in geduldigen, größtenteils ruhig beobachtenden Bildern einfängt – bis auf den einen Moment, in dem die Kamera vom Getümmel der Gewalt gestreift wird.

„Home Games“ und eine verlorene Jugend

Alltag zwischen Angst und Hoffnung

Nicht immer geht es in jüngeren Filmen über die Ukraine um den Krieg, auch wenn er im Hintergrund stets präsent ist. So bietet Alisa Kovalenkos Netflix-Doku „Home Games“ (2018) das vergleichsweise erbauliche Porträt einer jungen Frau, die ungeachtet ihrer Armut und prekären Familiensituation danach strebt, es in das nationale Fußballteam zu schaffen – und sich neben dem Training um ihre jüngeren Geschwister kümmert. Trister fällt „The Forgotten“ (2019, bei sooner.de) aus, das Spielfilmporträt einer verlorenen Jugend im besetzten Luhansk. Indessen werden die Wege rumpeliger „Elektritschka“-Bahnen mit ihren gesprächigen Passagieren in der episodischen Doku „Don't Worry, the Doors Will Open“ (2019, bei dafilms.com) zur Metapher für ein Land im permanenten Schwebezustand.

„Ugly“ und „Revanche": Ukraine aus österreichischer Sicht

Von Wien nach Kiew und zurück

„Der soziale Bruch zu Mitteleuropa ist in der Ukraine deutlich und schmerzlich spürbar“, meinte Ulrich Seidl 2006 in einem Interview anlässlich seines Films „Import Export“, der zwischen Österreich und dem Schwarzmeerland pendelt. Erstaunlich oft erzählt das heimische Kunstkino von Wechselbeziehungen zwischen hier und dort. Götz Spielmanns „Revanche“ (2008, bei Flimmit, WatchAUT und im Kino VOD Club) handelt von der Liebe zwischen einem Wiener Ex-Sträfling und einer ukrainischen Sexarbeiterin. Juri Rechinskys „Ugly“ (2018, im Kino VOD Club) verknüpft indes die Leben zweier Familien in Österreich und in der Ukraine auf düster-poetische Art.

„Entuziazm" und andere historische Einblicke

Wie der Stahl gehärtet wurde

Ein Blick in die Filmgeschichte erinnert daran, dass die Ukraine schon immer eine Sonderstellung im slawischen Kino-Imaginären (und in der Geopolitik) hatte: Hier wurde im Donbass bereits zu UdSSR-Zeiten Steinkohle für die Stahlproduktion gewonnen. Was den Sowjet-Avantgardisten Dziga Vertov zu einem seiner bemerkenswertesten Filme inspirierte: dem frühen Tonfilm-Montage-Experiment „Entuziazm“ (1931, in der Mediathek von archive.org). Hier drehte auch Aleksandr Dowschenko seine legendäre, bildgewaltige Ukraine-Stummfilmtrilogie. Auf YouTube gibt es daraus „Arsenal“ (1929) zu sehen, auf dem Kanal von Mosfilm, und „Erde“ (1930), im Fundus der offiziellen ukrainischen Kinoagentur (Dergkino Ukraine). Die Propaganda-Aspekte – Kolchosen, Kulaken, Fünfjahrespläne – treten bei Vertov wie bei Dowschenko weit hinter dem filmgestalterischen Kunstwillen zurück. Im Mubi-Channel von Amazon lässt sich „Feuerpferde“ (1965) bestaunen, eine farbensatte Huzulen-Romanze des armenischen Bildpoeten Sergei Paradschanow, der den Film unter dem Banner der Dowschenko-Filmstudios in einem Dorf in den Karpaten drehte, im örtlichen ukrainischen Dialekt – zu Sowjetzeiten keine Selbstverständlichkeit.

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