Alles starrt auf die Ukraine, Schauplatz einer Weltkrise. Hier in Kiew bereiten sich Freiwillige auf verschneiten Industriearealen auf den Ernstfall vor. Aber Panik haben sie nicht. Ruhe ist jetzt Bürgerpflicht.
In einem schmucklosen Viertel Kiews, unweit des Fernsehturms, aber auf der anderen Seite einer Ausfallstraße und hinter einer Tankstelle sitzt die eiserne Reserve der ukrainischen Armee und schaut in ihre Smartphones. Während der Vortragende also die immer selben Anweisungen gibt, tippen rund drei Dutzend Unteroffiziere und Offiziere in ihre Handys. Ein Akt der Unhöflichkeit ist das nicht, sondern Teil des Trainings: Sie lernen an diesem Abend den Umgang mit einer App, die ihnen im Ernstfall, im Kriegsfall, den Aufenthaltsort der Kameraden anzeigen soll.
Eine Heizung fehlt im Saal. Die meisten tragen deshalb dicke Jacken, aber nur die wenigsten in Tarnfarben. Das Soldatentum ist nicht ihr Brotberuf. Sie üben hier in ihrer Freizeit in der Theorie den Krieg, und an jedem Wochenende auch in der Praxis: Sie schwärmen dann in Parks aus oder in Wälder oder in verlassene Industrieareale. In ihren Einheiten sind Freiwillige, die noch ganz grün hinter den Ohren sind. Sie zählen zur Reservearmee, zu den „territorialen Verteidigungskräften“. Und in diesen Tagen nimmt der Westen von ihnen Notiz.