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"Klimadashboard": Die Datenaktivisten

Caio Kauffmann
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Mit dem soeben gestarteten „Klimadashboard“ wollen drei Klimaschützer Fakten über die globale Erderwärmung für die breite Bevölkerung verständlich und verfügbar machen.

Wie viele Neuinfektionen gab es gestern in Österreich? Wo steht Wien gerade bei der 7-Tages-Inzidenz? Ein paar Klicks reichen, und schon weiß man über die aktuelle Coronalage in Österreich Bescheid. Doch wer könnte den aktuellen CO2-Ausstoß Österreichs auf Anhieb beziffern? Oder angeben, um wie viel Grad sich Österreich in den letzten 40 Jahren erhitzt hat?

Genau diese Fragen soll das „Klimadashboard“ beantworten, um sich „sehr transparent einen schnellen Überblick über die Lage zu verschaffen“, sagt Johannes Stangl. Seit über einem Jahr und an vielen Abenden hat der 27-Jährige gemeinsam mit Adrian Hiss (27) und David Jablonski (23) an dem Projekt gearbeitet, vergangenen Freitag ging das Klimadashboard online.

Dort sieht man in einer interaktiven Visualisierung, dass Oberösterreich durch die dort ansässige Industrie den Bundesländer-Vergleich der Treibhausgas-Emissionen pro Kopf anführt, kann sich ausrechnen, wie stark sich Österreich seit dem eigenen Geburtsjahr erhitzt hat und nachsehen, wie viele Ölheizungen bis zum geplanten Ausstieg 2035 ausgetauscht werden müssen (übrigens, es sind 100 pro Tag).

Die Presse

„Wir wollten ein bisschen mehr Verständnis in die Klimadebatte hineinbringen“, sagt Stangl, der den Österreich-Ableger von „Fridays for Future“ mitgegründet hat. Die Klimaschutzbewegung hat die drei zusammengebracht, auch Hiss und Jablonski sind dort aktiv. Als Aktivisten und in Gesprächen mit Entscheidungsträgern oder Freunden haben sie gemerkt, dass die wenigstens die Dramatik der Klimakrise wirklich erfasst haben. „Das gilt auch für uns. Ich kann mir ja selber nicht vorstellen, wie eine um drei Grad erhitzte Welt aussieht“, sagt Hiss.
Die Idee für das Klimadashboard sei ihnen mit dem Aufpoppen der Corona-Plattformen gekommen, erzählt Jablonski, der als Webentwickler selbst an dem Impfdashboard des Bundes mitgearbeitet hat. „Ich habe gemerkt, wie wichtig offene Daten sind, um Krisen und Vorgänge beurteilen zu können – für die Öffentlichkeit, aber auch für Medien.“

Fehlende Kommunikation

Obwohl es eine Fülle an klimarelevanten Daten gebe, seien nur wenige leicht zugänglich. „Es gibt ein unglaubliches Wissen in den Institutionen, aber die Außenkommunikation ist unterentwickelt“, sagt Stangl. Dennoch sei beim Umweltbundesamt oder der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik das Verständnis hoch, „dass diese Daten veröffentlicht gehören.“ Verbesserungsbedarf sieht Hiss bei der Aktualität vieler Kennzahlen, die oft mit ein- oder zweijähriger Verspätung veröffentlicht werden. Das sei aufgrund der Dringlichkeit der Krise einfach zu spät.

Ob es sie nervt, dass diese Aufgabe nun drei Mittzwanziger übernehmen müssen, die ihre Freizeit auch mit Fußball oder Netflix verbringen könnten? „Es gab schon Momente, wo wir uns gefragt haben, warum macht das sonst niemand?“, sagt Jablonski. Schließlich sei es „die größte Krise unserer Zeit.“ Allerdings können sie so das Klimadashboard nach ihren Vorstellungen gestalten. „Man kann je nach Indikatoren unterschiedliche Geschichten erzählen“, sagt Stangl. So finden sich etwa am Klimadashboard neben Emissionen, die in Österreich entstehen, auch jene, die Österreich durch importierte Konsumgüter verantwortet. Rechnet man diese mit ein, steigt die österreichische Emissions-Bilanz um 50 Prozent. Ein Detail, das in vielen Ländervergleichen weggelassen wird. Mit der richtigen Aufbereitung könne man echtes Umdenken anstoßen, sind sich Stangl, Hiss und Jablonski sicher. „Da machen wir sicher eine Art von Datenaktivismus.“

Auf einen Blick

AUF EINEN BLICK

Seit Freitag ist das „Klimadashboard“ der „Fridays for Future“-Aktivisten Johannes Stangl, Adrian Hiss und David Jablonski online. Auf der Plattform werden klimarelevante Daten und Fakten von Umweltbundesamt, ZAMG, Statistik Austria und anderen aufbereitet und visualisiert. Das Angebot wird laufend ergänzt.

Web:www.klimadashboard.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2022)

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