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Tirol-Wahlen: Erster größerer Wahlsonntag nach Kurz-Abgang

Wahlurnen und Wahlkabinen
Wahlurnen und WahlkabinenAPA/ROLAND SCHLAGER
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In 274 von 279 Tiroler Gemeinden werden die Bürger am 27. Februar zu den Wahlurnen gerufen, um Bürgermeister und Gemeinderäte zu küren.

In Tirol gibt es am 27. Februar den ersten größeren Wahlgang seit Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen die ÖVP samt Abgang von Sebastian Kurz und seines Umfeldes. Große Rückschlüsse, wie sich die Krise und die fortwährenden Chat-Enthüllungen auf Wahlen auswirken, wird man wohl nicht ziehen können - handelt es sich doch um Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen. Außerdem fanden sie zuletzt im Februar 2016 statt, als Kurz noch Außenminister war.

Als solcher schlug er damals allerdings schon die Pflöcke ein, die ihm und der ÖVP später große Wahlerfolge bescheren sollten - nämlich eine harte Linie in der Migrationspolitik. Die Tiroler Kommunalwahlen standen im Februar 2016 ganz im Zeichen des anhaltenden Flüchtlingszustroms. Zwei Wochen vor dem Wahltag kündigten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) Grenzkontrollen - auch am Brenner - an. Und am Wahlsonntag wurde in Wien über die Schließung der Balkanroute verhandelt. Der im Wahlkampf tatkräftig - und einschlägig - von Bundesparteichef Heinz-Christian Strache unterstützten FPÖ bescherte dies große Erfolge, sie konnte 2016 die Zahl ihrer Tiroler Gemeinderatsmandate verdreifachen. Die Volkspartei war damals noch sehr zufrieden damit, ihre Bürgermeister und Mandate (rund zwei Drittel der Gemeinderatssitze zählt sie zu ihren Reihen) gehalten zu haben. Wobei Landeshauptmann Günther Platter in seiner Bilanz hervorstrich, dass man von Bundesebene alles andere als Rückenwind verspürt habe.

Dies sollte sich ändern: 2017 verdrängte Kurz Mitterlehner von der Parteispitze, beendete die Große Koalition, rief die Neuwahl aus - und ab der Nationalratswahl 2017 ging es auf allen Ebenen bergauf mit der von ihm auf türkis umgefärbten ÖVP. Kurz eroberte im Oktober 2017 Platz 1 und das Kanzleramt - und verteidigte beides auch 2019, nach dem türkis-blauen "Ibiza"-Crash. Obwohl ihm als erstem Kanzler Österreichs das Misstrauen ausgesprochen und er seines Amtes enthoben worden war.

Kurz vergrößerte ÖVP-Wählerpool um 663.541

Gleich in seiner ersten Wahl 2017 gewann er fast 470.000 Wähler dazu, 2019 noch einmal 194.000 - ebenfalls wieder viele, diesmal "Ibiza"-enttäuschte, FPÖ-Wähler. In Summe vergrößte sich der ÖVP-Wählerpool unter Kurz um 663.541. Mit 1,789.417 Stimmen im September 2019 war er schon am Weg in Richtung der Zwei-Millionen-Grenze, die zuletzt Wolfgang Schüssel bei seinem historischen Wahlerfolg 2002 genommen hatte. Vom historischen Tiefststand 23,99 Prozent bei der NR-Wahl 2013 (noch unter Michael Spindelegger) wuchs die ÖVP mit dem jüngsten Kanzler an der Spitze auf 37,46 Prozent.

Auf die schlechtesten Werte ihrer Parteigeschichte war die ÖVP auch bei fast allen Landtagswahlen (ausgenommen nur Niederösterreich) unter den Bundesparteichefs Michael Spindelegger und Reinhold Mitterlehner gefallen. Und überall erholte sich die Volkspartei wieder in den rund viereinhalb "türkisen" Jahren - in denen jedes Land einmal seinen Landtag kürte.

Die Zahl der Landtagswähler stieg zwar nicht so stark wie jene der Nationalratswähler (auch wegen teils großem Rückgang der Wahlbeteiligung), aber immerhin um 83.240 auf 1,530.329 nach dem Ende der letzte "Runde" in Oberösterreich im September 2021, kurz ehe mit von der WKStA veranlassten Hausdurchsuchungen das Ende der Ära Kurz eingeläutet wurde. Gemessen am Anteil aller gültigen Stimmen aller neun Landtagswahlen wuchs die ÖVP zwischen 2017 und 2021 von 31,53 auf 35,93 Prozent. Und die türkise Strahlkraft reichte offensichtlich bis zu den Kommunalwahlen - auch wenn bei diesen vorwiegend die regionalen Kandidaten und Themen entscheidend sind. Aber auch auf dieser Ebene verzeichnete die ÖVP, anders als früher, in den viereinhalb Jahren unter Kurz so gut wie überall Zuwächse.

Innsbruck und Graz als Ausnahmen

Mit zwei großen Ausnahmen: In Innsbruck (wo jetzt nicht gewählt wird) brach die ÖVP 2018 massiv ein, die Grünen holten sich Platz 1 und den Bürgermeistersessel. Und in Graz erlitt die ÖVP im September 2021 ebenfalls ein veritables - allerdings hausgemachtes - Wahldebakel: Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl verlor massiv, jetzt ist die KPÖ Erste und deren Chefin Elke Kahr Bürgermeisterin. Unter dem neuen Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer wurde bisher erst eine Kommunalwahl geschlagen, in Waidhofen an der Ybbs. Dort erlitt die Bürgermeister-Partei ÖVP Ende Jänner schwere Verluste, die Absolute ging verloren, während etwa die SPÖ Zugewinne verbuchte. Als Grund machte die ÖVP allerdings die Corona-Pandemie aus, war dort doch die Impfskeptiker-Partei MFG sehr erfolgreich.

Heuer gibt es zwar noch eine große Bundeswahl - die des Bundespräsidenten im Herbst. Ob die ÖVP dafür einen Kandidaten nominiert, ist allerdings - mit Blick auf die mögliche Wiederkandidatur Alexander Van der Bellens - fraglich. Daneben stehen heuer regulär nur noch die burgenländischen Kommunalwahlen am 2. Oktober am Wahlkalender.

Die nächsten Landtagswahlen sind regulär erst im Jahr 2023 fällig - da aber gleich in drei Ländern mit ÖVP-Landeshauptleuten (Niederösterreich, Tirol und Salzburg) sowie im SPÖ-dominierten Kärnten. Und wie es für die neu aufgestellte Volkspartei auf Bundesebene läuft, wird man erst im September 2024 erfahren - wenn die ÖVP-Grün-Koalition die Legislaturperiode voll durchhält.

(APA)

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