Gesetzesentwurf

Wie New York mit dem „Fashion Act“ die Mode zur Rechenschaft ziehen will

Einkaufslustige auf der Fifth Avenue in New York.
Einkaufslustige auf der Fifth Avenue in New York.(c) Getty Images (Spencer Platt)
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Der jährliche Textilabfall von New York City ist in etwa so hoch wie das Empire State Building. Ein Gesetzesentwurf, bekannt als „Fashion Act“, soll große Modekonzerne umwelttechnisch und sozial schon bald in ihre Schranken weisen.

Eine der größten Modemetropolen der Welt, New York nämlich, will mittels neuen Gesetzesentwurf große Modeplayer dazu zwingen ihre Lieferketten, zumindest zu einem großen Teil, einsehbar zu machen. Bereits im Oktober letzten Jahres haben die beiden Politikerinnen des Bundesstaates Alessandra Biaggi und Anna Kelles den „Fashion Sustainability and Social Accountability Act (S7428/A08352)“, besser bekannt als „Fashion Act“, vorgestellt. Der Gesetzesentwurf steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Hohes Potenzial wird ihm trotzdem zugeschrieben. Biaggi selbst bezeichnet den Entwurf als „historisch für die USA“. Noch nie habe es ein Gesetz zur Regulierung und Bekämpfung der von der Modeindustrie verursachten Schäden gegeben, das derart umfassend ist.

Rechenschaft gegenüber der Umwelt

Das neue Gesetz soll multinationale Modekonzerne, die in New York Geschäfte machen und deren globaler Umsatz mehr als 100 Millionen US-Dollar, knapp 90 Millionen Euro, entspricht, anvisieren. Das betreffe etwa Luxusmutterkonzerne wie LVHM und Prada sowie Fast-Fashion-Marken wie H&M und Shein. Jene, die jedenfalls darunter fallen, müssen zumindest die Hälfte ihrer Lieferkette - vom Rohstoffbezug, über Schneider- und Nähfabriken - explizit dokumentieren. Auch Treibhausgasemissionen etwa, der Energieverbrauch, der Chemikalieneinsatz und Durchschnittslöhne aller in der Kette involvierten Menschen müssen mittels Berichten aufgezeichnet werden. 18 Monate haben die adressierten Unternehmen ab der Gesetzesverabschiedung dafür Zeit.

So soll dafür gesorgt werden, dass Modekonzerne ihre soziale Sorgfaltspflicht gegenüber Mensch und Umwelt wahrnehmen. Als Maßstäbe dienen diverse Umweltbilanzierungsstandard, die im „Greenhouse Gas Protocol Corporate Standard“ und im „GHG Protocol Scope 3 Standard“ festgelegt sind. Diese Standards sollen Unternehmen an ihre Ziele heranführen beziehungsweise Hilfestellung bei deren Festlegung helfen. Hierunter fallen etwa zugekaufte Ressourcen wie Strom, Fahrzeuge und Unternehmenseinrichtungen und aber auch indirekte Emissionen und vorausgehende Aktivitäten.

Auch dem Textilmüll soll der Kampf angesagt werden - schließlich ist dieser im Jahr so hoch wie das Empire State Building, also in etwa 443 Meter. Dazu müssten Konzerne auch im Detail ihre Materialverwendung aufschlüsseln, bei Nichteinhaltung sollen Bußgelder drohen, die in Relation zum jährlichen Umsatz berechnet würden. Diese sollen dann wiederum in die Finanzierung von nachhaltigen Projekten einzelner Gemeinden in New York fließen. Bisher verborgen gebliebene Ausmaße des Sektors würden dadurch ans Tageslicht gebracht werden.

Sicherer Rahmen für Arbeitende

Zudem soll der Gesetzesentwurf auch Arbeitende entlang der gesamten Lieferkette absichern. Im Entwurf selbst umfasst die Forderung der sozialen Sorgfaltspflicht „den Prozess, den Unternehmen durchführen sollten, um tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen in ihren eigenen Betrieben, ihrer Lieferkette und anderen Geschäftsbeziehungen zu ermitteln, zu verhindern und zu mindern.“

Konkret sollen also Anreize für ihre Zuliefernden geschaffen werden, um die Rechte von Arbeitnehmerinnen und -nehmern dort zu fördern, etwa in Form von Gehaltserhöhungen und besseren Vertragskonditionen. Überprüft werden sollen die Bemühungen und Taten durch ein Sorgfaltsprotokoll, das mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und jenen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln konform geht.

Besser, schneller, strenger

In eine Reihe von teils offenen Briefen an die Gesetzgebenden brachten Vereine und Organisationen ihre Unterstützung zum Ausdruck, forderten aber auch eine Verschärfung der Pflichten sowie eine Kreislaufwirtschaft, die über bloßes Textilrecycling hinausgeht. Es sei ein wichtiger und mutiger erster Schritt, um ihn richtig feiern zu können müsse er jedoch weiter greifen. Derzeit liegt der Gesetzesentwurf dem Verbraucherschutzausschuss des Senats und im Ausschuss für Verbraucherangelegenheiten und -schutz der Versammlung vor. Sobald er die beiden Ausschüsse passierten konnte, wird er zur Abstimmung in den Plenarsaal gebracht.

In mehreren europäischen Ländern gibt es bereits verbindliche Sorgfaltspflichtgesetze, die Unternehmen - auch abseits der Modebranche - dazu verpflichten, Menschenrechts- und Umweltverstöße in ihren Lieferketten zu ermitteln und darüber zu berichten. Die EU ist zudem gerade dabei, Rechtsvorschriften zu entwickeln, die in der gesamten Region gelten sollen. In den USA hat Kalifornien im vergangenen September ein Gesetz verabschiedet, das Markenunternehmen für Lohnverstöße in ihren Lieferketten haftbar machen würde. New York zieht nun eben nach. Gegenüber der Modefachzeitschrift WWD verlautete Biaggi ihre Hoffnung, die dem „Fashion Act“ unterliegt: „Dieser Gesetzesentwurf hat die Macht, (...) die Modeindustrie in eine Branche verwandeln, die Umwelt- und Arbeitsgerechtigkeit in den Vordergrund stellt.“ Bleibt zu hoffen, dass er dies letzten Endes auch tut.

>> zum WWD-Artikel

(evdin)

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