Netflix-Serie

„Inventing Anna“: Eine Hochstaplerin, so arrogant wie sonst nur Superreiche

(c) AARON EPSTEIN/NETFLIX
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Mit „Inventing Anna“ startet ein Prestigeprojekt für Netflix: Die erfolgreiche Fernsehmacherin Shonda Rhimes verfilmte die wahre Geschichte der Betrügerin Anna Delvey, die New Yorks High Society narrte. Noch im Gefängnis verkaufte sie die Rechte an ihrer Geschichte.

Ihre Freunde wollen es nicht glauben: Anna Delvey soll eine Hochstaplerin sein? Sie ist gar keine reiche deutsche Erbin? Das kann nicht sein! Schließlich trägt sie die richtige Kleidung, kennt sich aus mit Kunst und weiß genau, was man in welchem New Yorker Spitzenrestaurant essen muss. Vor allem aber ist sie so arrogant und direkt zugleich, wie man es nur jemandem zutraut, der sich um nichts so Profanes kümmern muss wie Geld. Niemand, der so aussehe und sich so benehme wie Anna, sei nicht reich, sagt einer ihrer Freunde in der Serie „Inventing Anna“, die am Freitag auf Netflix startet. Und doch war dieser Reichtum vorgetäuscht.

„Diese Geschichte ist echt wahr. Außer die Teile, die komplett erfunden sind“, steht am Beginn jeder der neun Folgen. Die Serie basiert auf einem realen Fall: Vier Jahre lang narrte die russisch-deutsche Hochstaplerin Anna Sorokin unter dem Namen Anna Delvey New Yorks High Society, ehe sie 2017 verhaftet und 2019 wegen Diebstahls verurteilt wurde. Noch im Gefängnis verkaufte sie Netflix für 320.000 Dollar die Rechte an ihrer Geschichte. Den Großteil benutzte sie, um die ihr auferlegte Geldstrafe von 199.000 Dollar zu begleichen.

Mit Produzentin und Drehbuchautorin Shonda Rhimes hat Netflix seine erfolgversprechendste Serienmacherin auf den Stoff angesetzt. Rhimes hat den Dauerbrenner „Grey's Anatomy“ erfunden, ihre Adelskitschserie „Bridgerton“ gehört zu den meistgesehenen Netflix-Formaten. Ihre Handschrift merkt man vor allem an den Dialogen: Im Streitgespräch geht es hin und her, das Emotionslevel steigt, bis sich der Gefühlsschwall als Monolog aus den Figuren ergießt. Das kennt man von „Grey's Anatomy“, mit der „Inventing Anna“ eine weitere Gemeinsamkeit hat: Beide Titelfiguren wirken (auf den ersten Blick) nicht besonders liebenswert. Mehr noch als für Meredith Grey gilt das für Anna Delvey, die großartig dargestellt wird von Julia Garner. Diese Anna ist geradezu absurd selbstbewusst, kalt, gemein – und extrem mutig. Sie checkt in den teuersten Hotels mit größter Selbstverständlichkeit ein, obwohl sie weiß, dass sie diese nicht bezahlen kann. Das fasziniert so an Hochstapler-Geschichten: Man möchte wissen, wo die Grenzen liegen, die man selbst nie austesten würde. Und dann will man sehen, wie die Betrüger auffliegen – und vorzugsweise noch Reue zeigen.

Die hässlichen Kleider der Journalistin

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der Journalistin Violet – sie übernimmt den Part der realen Jessica Pressler, die Delveys Geschichte für das „New York Magazine“ recherchierte und die Betrügerin erst bekannt machte. Anna Chlumsky spielt die schwangere Violet beherzt, aber in diesem Handlungsstrang der sonst fesselnden Serie gibt es Klischees und Längen. Insgesamt urteilt „Inventing Anna“ wenig, aber wenn, dann über Violet: Keine Folge vergeht, ohne dass jemand aus der High Society ihre Kleidung abwertet. Es ist eine oberflächliche Welt, in die Anna sich hineindrängt. Ein populärer Instagram-Account ist wichtiger als ein Hochschulabschluss. Das oberste Ziel: berühmt zu werden. Diesem kommt die reale Anna Sorokin – 2021 entlassen und zuletzt Jogginghosen tragend in New York gesichtet – nun einen großen Schritt näher.

„Inventing Anna", neun Folgen, ab 11. Februar auf Netflix.

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