Die Nachfrage im Speckgürtel von Wien ist deutlich gestiegen – allerdings nur innerhalb der klassischen Grenzen.
Mit der Pandemie kam der Hype um die Immobilien im Grünen, alle wollten raus aus der Stadt und das Motto hieß „tausche Wohnung im Achten gegen 8000 Quadratmeter Grund am Land“, wie es Spiegelfeld-Makler Fridolin Angerer auf den Punkt brachte. Mittlerweile scheinen sich die Gemüter wieder ein wenig beruhigt zu haben, zumindest im Speckgürtel. Dazu zählen nach wie vor die Klassiker wie Mödling, Baden, Gießhübel, der Hinterbrühl, Gaaden oder Perchtoldsdorf im Süden; Klosterneuburg im Norden und die Gegenden bis Purkersdorf im Westen. Darüber hinaus bewegt sich der Luxuskäufer – Home Office hin oder her – eher nicht.
„Passt nicht zusammen“
„Das Thema Luxus und der erweiterte Speckgürtel passen nicht zusammen“, weiß Wilhelm Fetscher, Geschäftsführer von Re/Max DCI, zu dessen Gebiet unter anderem Tulln, Purkersdorf, Korneuburg, Stockerau und Mödling gehören.
Zwar habe er 2021 mit seiner Gruppe ein 40-prozentiges Plus gegenüber dem Vorjahr erzielen können, allerdings nicht im Premiumbereich, sondern eher im mittleren Preissegment, in dem der Speckgürtel inzwischen mächtig gewachsen ist. Der Grund: Immer mehr Käufer, die nur mehr zwei- oder dreimal pro Woche ins Büro pendeln müssen, wollen die Vorteile außerhalb der Stadt nutzen und nehmen dafür auch längere Wege in Kauf.
Der klassische Luxuskunde dagegen honoriert zwar den nach wie vor bestehenden Preisabschlag von rund 30 Prozent im klassischen Speckgürtel im Vergleich zu den Grünbezirken der Stadt – über dessen Grenzen hinaus bewege er sich allerdings nur, wenn es gute Gründe dafür gibt. Ein solcher könnte etwa ein Haus mit einem soliden historischen Kern, gern in historischer Lage sein, wie Fetscher berichtet: „Für solche interessanten Liegenschaften sind beispielsweise Künstler oder Freischaffende bereit, aufs Land zu gehen.“ So habe es kürzlich beim Verkauf eines Schlosses im Tullnerfeld regen Andrang gegeben. Und auch an Orten, die zu Kaiserzeiten beim Großbürgertum beliebt waren, wie Eichgraben, Heiligenkreuz oder Mayerling, gäbe es eine solche Nachfrage.
Große Gründe
Ebenfalls eine Motivation, sich über die Grenze des klassischen Speckgürtels hinauszubewegen, seien große Grundstücke, wie Karin Bosch, Leiterin der Bereiche Niederösterreich Süd und Exklusivimmobilien bei sReal, berichtet. „Die berühmte Alleinlage zieht schon, allerdings müssen es dann schon mal 5000 bis 6000 Quadratmeter sein. In diesem Bereich von Kaufpreisen über fünf Millionen haben wir derzeit deutlich mehr Nachfrage als noch vor drei oder vier Jahren. Eine Gruppe, die durchaus das Radar ein wenig erweitert habe, seien dagegen die Gutverdienenden, deren Budgets aber nicht unbegrenzt sind, wie Peter Marschall, Inhaber des gleichnamigen Immobilienunternehmens weiß. „Je nach finanzieller Situation wird bis Korneuburg gesucht“, weiß der Makler – schließlich liegen die Preise am Bisamberg oft rund 35 Prozent unter jenen vergleichbarer Objekte innerhalb der Wiener Stadtgrenzen.
Suchradius
Gute Verkehrsverbindungen tragen ebenfalls zur Erweiterung des Suchradius' bei: „Durch die Autobahn gibt es jetzt auch in Mistelbach Projekte, die sich gut verkaufen“, berichtet er. Zumal Orte wie Korneuburg, Bisamberg oder Hagenbrunn im Vergleich zu anderen Weltstädten nur einen Katzensprung von der Innenstadt entfernt seien, wie der Makler betont. Was womöglich auch der Grund dafür sein könnte, dass plötzlich ein neues Klientel im Speckgürtel auftaucht, das vor der Pandemie eher in der Stadt geblieben ist.
Neu im Speckgürtel
„Stiftungen oder Botschaftsangehörige suchen jetzt verstärkt außerhalb nach Liegenschaften, die als Wohn- und Geschäftssitz genutzt werden können“, bemerkt Bosch. Wodurch plötzlich ganz neue Kriterien kaufentscheidend werden könnten: „Da wird dann nach Stellplätzen für Gäste geschaut und darauf geachtet, dass der Cateringwagen zufahren und drehen kann“, kennt die Maklerin die geänderten Anforderungen. (SMA)