Das Verteidigungsbündnis will angesichts des russischen Truppenaufmarsches multinationale Kampftruppen stationieren - etwa in Rumänien. US-Präsident Joe Biden fordert US-Bürger zur Ausreise aus der Ukraine auf.
Die Nato hat angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine den Ausbau ihrer Präsenz im östlichen Bündnisgebiet auf den Weg gebracht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nahmen die 30 Mitgliedstaaten in dieser Woche in einem schriftlichen Beschlussverfahren einen entsprechenden Vorschlag der Militärs an.
Dieser zielt insbesondere darauf ab, zur Abschreckung Russlands auch in südwestlich der Ukraine gelegenen Nato-Ländern wie Rumänien multinationale Kampftruppen zu stationieren. Bisher gibt es die sogenannten Battlegroups nur in den baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland sowie in Polen. Der Beschluss der Alliierten soll am kommenden Mittwoch bei einem Treffen der Verteidigungsminister noch einmal bestätigt werden. Dann wird auch die offizielle Ankündigung erfolgen. Die Umsetzung der Planungen könnte noch in diesem Frühjahr erfolgen.
USA und Frankreich wollen Truppen stellen
Mit Spannung wird nun erwartet, wie Russland auf die Entscheidung der Nato reagiert. Kritiker befürchten, dass die Entsendung zusätzlicher Bündnistruppen in Richtung Osten zu einer weiteren Verschärfung des aktuellen Konflikts führen könnten. Dafür spricht, dass die Regierung in Moskau der Nato erst im Dezember Vorschläge für neue Sicherheitsvereinbarungen unterbreitete, die unter anderem darauf abzielen, dass die Nato ihre Aktivitäten in Osteuropa drastisch reduziert.
Neben Rumänien sollen noch die Slowakei und Bulgarien Standorte für multinationale Nato-Einheiten bereitstellen. Ungarn wird sich nicht beteiligen. Als zwei sichere Truppensteller für die neue Initiative gelten Frankreich und die USA. Die USA sind schon jetzt dabei, rund 1000 Soldaten von Deutschland aus nach Rumänien zu verlegen. Dies läuft unter dem Oberbegriff erhöhte Wachsamkeitsaktivitäten ("Enhanced Vigilance Activities").
In Nato-Kreisen wird betont, dass der Ausbau der Truppenpräsenz an der Ostflanke ausschließlich als Reaktion auf das russische Verhalten erfolge. Die aktuellen Beschlüsse sind nun Reaktion darauf, dass Russland seit Wochen ungewöhnlich viele Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammenzieht. Im Westen wird deswegen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in sein Nachbarland in Erwägung zieht und sogar eine Ausweitung des Konflikts auf Nato-Staaten drohen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei den Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Russland dementiert Angriffsplanungen.
Politische Lösung wird immer schwieriger
Gleichzeitig verschärfte US-Präsident Joe Biden den Ton gegenüber Russland. In einem voraufgezeichneten Interview mit dem US-Sender NBC, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, rief Biden US-Bürger in der Ukraine auf, das Land "jetzt" zu verlassen. Die Situation könne schnell eskalieren. Biden bekräftigte, dass er unter keinen Umständen US-Truppen in die Ukraine schicken würde, auch nicht zur Rettung von US-Bürgern im Falle einer russischen Invasion. Dies würde "einen Weltkrieg" auslösen, sagte er und bekräftigte: "Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schießen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt."
Eine politische Lösung der Ukraine-Krise wird nach Ansicht von Experten immer schwieriger. "Es gibt für keine Seite aktuell die Möglichkeit, gesichtswahrend zu deeskalieren", sagte der Russland-Experte der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, der dpa. Zugleich bedeuteten weder der Aufmarsch russischer Truppen an der ukrainischen Grenze noch die aktuellen Manöver automatisch eine Vorbereitung auf einen Krieg. Für den russischen Präsidenten Putin gehe es augenscheinlich darum, durch eine immer brisantere Drohkulisse, den Westen doch noch zum Einlenken zu bewegen, sagte Mangott weiter.
„Normandie“-Treffen ergebnislos
Vor der Reise des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz nach Kiew und Moskau beendeten Vertreter beider Seiten unterdessen ihr zweites Treffen im "Normandie"-Format seit Beginn der aktuellen Krise ohne greifbares Ergebnis. Nach fast zehnstündigen Verhandlungen in Berlin zogen die deutsch-französischen Vermittler am Donnerstagabend ein nüchternes Fazit: In "schwierigen Gesprächen" zwischen den Gesandten Russlands und der Ukraine seien "die unterschiedlichen Positionen und verschiedene Lösungsoptionen deutlich herausgearbeitet" worden. Die russische Seite warf den Vermittlern anschließend vor, zu wenig Druck auf die ukrainische Regierung auszuüben.
An dem Treffen nahmen die außenpolitischen Berater der Präsidenten Putin und Selenskyj sowie deren Kollegen aus Berlin und Paris teil. Die erste solche Vierer-Runde seit Beginn der aktuellen Krise um den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze hatte Ende Jänner in Paris stattgefunden. Ein weiteres Treffen in diesem sogenannten Normandie-Format wurde nun für März vereinbart.
(APA/dpa/Reuters)