Wort der Woche

Durch Carbon Farming soll vermehrt CO2 im Boden gebunden werden.

Richtig gemacht, kann das sowohl dem Klima und der Umwelt als auch den Einkommen der Bauern dienen.

Seit einiger Zeit macht ein neues Wort die Runde: „Carbon Farming“. Gemeint sind damit landwirtschaftliche Praktiken, durch die Kohlenstoff langfristig im Boden gebunden wird. Dazu zählen etwa eine bodenschonende Bewirtschaftung zum Aufbau von Humus, eine optimierte Fruchtfolge, Zwischenbegrünung oder das Einackern von Ernterückständen. Für Landwirte könnte sich dadurch eine neue Einkommensquelle auftun: Die EU will ein System für handelbare Zertifikate für die Entfernung von CO2aus der Atmosphäre konzipieren.

Die Potenziale sind beträchtlich: Laut Modellrechnungen würde eine Erhöhung des Kohlenstoffgehalts des Bodens um jährlich 0,4 Prozent den weltweiten CO2-Ausstoß aus fossilen Energieträgern kompensieren. Allerdings kann dieses Potenzial bei weitem nicht voll ausgeschöpft werden, wie die OECD in einem diese Woche veröffentlichten Bericht festhält. Dafür gibt es viele Gründe – etwa dass nicht alle Bodentypen dafür geeignet sind oder dass es sich um einen höchst dynamischen Prozess handelt. Unter Berücksichtigung dieser Beschränkungen haben die OECD-Experten berechnet, dass in der Realität zwei bis vier Prozent der jährlichen CO2-Emissionen im Boden gebunden werden könnten. Das klingt nicht nach viel, entspricht aber immerhin den Emissionen des Flugverkehrs. Oder des weltweiten Datenverkehrs über das Internet.

Es gibt freilich einen großen Hemmschuh: Boden hat viele Funktionen – von der Nahrungsmittelproduktion über den Schutz der Biodiversität bis hin zur Nutzung als Bauland. Jede Änderung der Landnutzung hat Gewinner und Verlierer, zwischen den widerstreitenden Zielen sind Kompromisse nötig. Eine einseitige Maximierung der CO2-Bindung, z. B. durch Aufforstung, kann sich negativ auf die Ernährungssicherheit oder den Naturschutz auswirken. Wie komplex das System Boden ist, wird einmal mehr in einer Studie deutlich, in der ein Forscherkonsortium um Patrick Meyfroidt (Kath. Uni Löwen) mit Beteiligung der Boku zehn empirisch gut abgesicherte Fakten über nachhaltige Landnutzung zusammengetragen hat (PNAS, 7. 2.).

Ein zentraler Schluss daraus: Um beim Arten- und Klimaschutz voranzukommen sollten v. a. „Win-Win“-Situationen, die mehreren Zielen zugleich dienen, gesucht werden. „Carbon Farming“ kann eine solche sein: Richtig gemacht, ist ein humusreicher Boden nicht nur ein guter Kohlenstoff-Speicher, sondern auch gesünder, fruchtbarer und braucht weniger Dünger und Pestizide.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2022)

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