Morgenglosse

Mit Karl und Kathi Nehammer auf Reisen

Mehr Homestory als Interview bekam man am Sonntag vom Bundeskanzler, der mit Kind und Kegel für die „Krone“ posierte. Der Stilbruch mit Sebastian Kurz ist vollends vollzogen - aber auch ein bisschen peinlich.

Familienurlaub stand in der Vorwoche am Programm von Bundeskanzler Nehammer. Verbracht hat er diesen auch mit Johanna Mikl-Leitner und Klaudia Tanner und deren Familien, wie man im aktuellen Sonntags-Interview der „Kronen Zeitung“ erfährt. Via „Konferenzschaltung ins Familienauto“ gewährte Nehammer dort tiefe Einblicke in sein Familienleben und Fotoarchiv. Ehefrau Katharina saß währenddessen am Steuer, kurzerhand lichtete er sie für ein Foto ab. Das Titelbild stammte aus Nehammers Selfie-Fundus. Die Kinder saßen am Rücksitz und auch Hündin „Fanny“ war dabei, als Nehammer zum Interview gebeten wurde. Schon praktisch, wenn ein Kanzler dafür einfach mal selbst die Fotos schießt.

Man könnte nun wohlwollend kommentieren, die Boulevard-Homestory dient Nehammer dazu, sich als geselliger Familienmensch zu präsentieren, der schnell und unkompliziert zum Gespräch bereit ist, nicht lange mit Profi-Fotografen, Friseuren und Visagisten fackelt und dem Inszenierung herzlich wurscht ist. Das Wissen, dass Politiker auch nur Menschen sind, wäre auch deshalb beruhigend, weil man unter Teflon-Slimfit-Kanzler Sebastian Kurz phasenweise daran gezweifelt hat. Zudem unterstreicht Nehammer mit dem informellen Interview den Stilbruch mit seinem Vorgänger. Man stelle sich nur kurz ein Kurz-Interview im Familien-VW mit Jogginghose und .... Nein. Man kann es sich gar nicht vorstellen.

Impfpflichtdebatte zwischen Skilift und Raststation

Schräg und unpassend sind hingegen weniger schmeichelhafte Adjektive, die leider zum Auftritt ebenfalls passen. Denn als im Interview nach den Chats zum „roten Gsindl“ gefragt wird, grätscht plötzlich Ehefrau Katharina dazwischen, um den Kanu-Zwischenfall zu erklären, ohne den die Chats vom kaputten Handy von Ex-Kabinettchef Michael Kloibmüller, der dabei ins Wasser fiel, wohl nie an die Medien geleakt worden wäre. Außerhalb der Wiener Hardcore-Innenpolitik-Bubble denkt man sich wohl spätestens beim Lesen dieser Zeilen: „Hä?“ Dass Nehammers Sohn am Ende eine Schnitzelsemmel einfordert, fällt ebenfalls eher unter unnützes Wissen. Wir erfahren es dennoch.

Was in anderen Settings sympathisch und unkonventionell wirken mag, kommt aktuell recht unpassend daher. Im Hinblick auf die immer lauter werdende Impfpflicht-Debatte, aus der sich Nehammer zugunsten seines Familienurlaubs - der ihm herzlich vergönnt sei - ausgeklinkt hat, könnte man ihm nun fehlendes Gespür vorwerfen. Es sei ihm zu wünschen, dass ihn die Zeit mit der Familie entspannt. Doch geht es unterdessen um nichts geringeres als die umstrittenste Gesetzesenscheidung der 2. Republik, die Zehntausende Menschen in unserem Land wöchentlich auf die Straßen treibt und einen tiefen Spalt in die Gesellschaft reißt. Das „Krone“-Interview wird diesem Umstand nicht wirklich gerecht. Denn mit der rechten Bahn, auf die Nehammer das Land erst wieder hieven muss, ist sicher nicht jene zwischen Skilift und Raststation gemeint.

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