„Morgen und Abend“ von Georg Friedrich Haas wirkte bei seiner umjubelten österreichischen Erstaufführung nur musikalisch verstörend.
Fremd ist er eingezogen, fremd zieht er wieder aus – jener Fischer Johannes, den Österreichs derzeit vielleicht arriviertester Avantgarde-Komponist Georg Friedrich Haas zum tragischen Helden seines „Musiktheaters“ stilisiert hat. Das hat so gar nichts von Schubert an sich. Es steht nur thematisch in der Nähe von Nacht und Fremde der „Winterreise“, wenn der gefinkelte Klangexperimentator Haas die Grenzen des althergebrachten Opernschemas hinter sich lässt und wagemutig weitergeht - wie bei einer Operation am offenen Herzen.
Er gewinnt Aufmerksamkeit und Hellhörigkeit seines Publikums, wenn er Nerven blank legt, wenn er Emotionen und seelische Zustände so formuliert, dass sie auch von anderen Menschen als die ihren angenommen werden könnten.
Eine spiralartige Sogwirkung zeichnete auch die österreichische Erstaufführung von Haas' „Morgen und Abend“ am Samstag in der Grazer Oper aus. Von der Uraufführung im November 2015 an der Londoner Covent Garden Opera wurden Wunderdinge kolportiert. Nach seinem Roman „Morgon og kveld“ hat der Norweger Jon Fosse ein Libretto gebastelt, das Johannes' Biografie von der Wiege bis zur Bahre nachzuzeichnen versucht.