Fokus auf
Maulwurf-Akt

Der Machtkampf der Maulwürfe

Ab 2000 prallten im Innenministerium zwei Welten aufeinander. Die Konflikte wirken bis heute fort, brachten manche auf die schiefe Bahn, ein Amt um seinen Ruf. Auf den Spuren von Egisto Ott und Co.

Im Jahr 2000 ritt eine neue Truppe ins Innenministerium ein, viele sozialisiert im schwarzen Niederösterreich, allen voran Ernst Strasser, der Minister. Dahinter kamen junge Männer, zielstrebig, machtbewusst, auch machthungrig. Für das zuvor seit Jahrzehnten in roten Bahnen mäandernde Innenministerium ein Kulturschock. Einer dieser jungen Männer war Michael Kloibmüller, ein früherer Revierinspektor, der dann Jus studiert hatte – und von Strasser zum Personalchef des Innenministeriums gemacht wurde.

Arrogant, selbstherrlich, sich im Ton vergreifend seien diese jungen Strasser-Leute, beklagten die alteingesessenen Sozialdemokraten und Personalvertreter. Wer kein schwarzes Parteibuch habe und/oder vorher kein Gendarm gewesen sei – das galt gewissermaßen als gleichbedeutend –, sei bei den Jobvergaben chancenlos. Die Wohlgesonneneren attestierten der Strasser-Truppe Fleiß und Zug zum Tor, die Fusion von Polizei und Gendarmerie galt letztlich als Erfolg.

Vor allem Michael Kloibmüller, der immer mehr Macht und Einfluss an sich riss, wurde zum roten Tuch. Unter ihm als Personalchef wurde etwa sein eigener Vater zum Leiter der Disziplinarkommission des Innenministeriums ernannt. Es bildete sich eine Opposition im Innenressort, die es mit dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ offenbar übertrieb – und dann auf mutmaßlich kriminelle Abwege geriet, wie die Staatsanwaltschaft heute vermutet. Sie hat das in einem umfassenden Akt zusammengetragen, über den „Die Presse“ seit Sonntag in einer Serie berichtete.

Im Zentrum steht ein Trio: der vormalige BVT-Beamte Egisto Ott, der wegen des Vorwurfs der Russland-Spionage seinen Job im BVT verlor. Der ehemalige Abteilungsleiter Martin W., der dann zum Fluchthelfer von Jan Marsalek, dem Wirecard-Mastermind, werden sollte. Und der IT-Techniker Anton H. Sie sollen eine führende Rolle in der Abfassung jenes Pamphlets gespielt haben, das 2018 zur Razzia im BVT geführt hat. Und auch jetzt dafür gesorgt haben, dass die Chats aus dem Handy des Michael Kloibmüller, später dann Kabinettschef von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden. Via Peter Pilz.

Der erste öffentlich belegbare Kontakt von Pilz zu Ott stammt aus dem Jahr 2009. Damals bezichtigte der Sicherheitssprecher der Grünen den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, an der Ermordung von drei Kurdenführern 1989 in Wien beteiligt gewesen zu sein, möglicherweise habe er sogar selbst geschossen. Peter Pilz verwies dabei auf ein Ermittlungsgespräch mit einem deutschen Waffenhändler, das ein gewisser Egisto Ott, damals Verbindungsbeamter an der österreichischen Botschaft in Italien, geführt habe

Ernst Strassers Laptop

Schon zuvor, ab 2008, hatte Peter Pilz E-Mails von Ernst Strasser präsentiert. Diese stammten aus einem Laptop des ehemaligen Innenministers. Unter anderem konnte man nun Korrespondenzen zwischen Strasser und seinem Personalchef Kloibmüller nachlesen, insbesondere Postenbesetzungen betreffend. Hatten da auch schon Ott und Co. ihre Finger im Spiel?

Egisto Ott hatte aber auch Chat-Kontakt mit Helmut Brandstätter von den Neos. Vor allem aber mit Hans-Jörg Jenewein von der FPÖ. In diesem Fall geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, ob auch Geld geflossen sei – an Ott. Dessen vormaliger Kompagnon Martin W. sagte aus, dass Egisto Ott „praktisch die gesamte Opposition mit Informationen versorgt hat“.

Ott, W. und H. sollen auch etliche Zuträger im Innenministerium und seinen nachgelagerten Stellen gehabt haben – die vor allem dann nützlich waren, als sie ihre eigenen Jobs verloren hatten. Noch heute können Ermittler nicht ausschließen, dass eine Informationsweitergabe aus dem Bereich des Innenministeriums nach außen weiter stattfindet.

Petra Winkler

Darüber hinaus gab es bemerkenswerte Querverbindungen: zu Johannes Peterlik etwa, zuerst Pressesprecher von ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, nach einer Zeit als Botschafter dann Generalsekretär von FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Peterlik war auch einer, der sich von der ÖVP übergangen bzw. schlecht behandelt fühlte. Er stand in Kontakt mit Ott, die Staatsanwaltschaft vermutet, dass über ihn die Weitergabe der Formel des Nervengifts Nowitschok an Jan Marsalek erfolgt sei. Peterliks Frau, eine BVT-Beamtin, war eine der Hauptbelastungszeugen für die BVT-Razzia, die dann vom Oberlandesgericht Wien als rechtswidrig erkannt wurde. Ott soll Johannes Peterlik wiederum dabei geholfen haben, einen Waffenpass zu erlangen.

Zum Bruch kam es dann zwischen Ott und dem damaligen BVT-Chef Peter Gridling. Dieser zeigte Ott wegen Russland-Spionage an. Dafür sollte Ott nun unter seinen neuen Freunden Karriere machen. Der Akt der Staatsanwaltschaft legt nahe, dass sowohl der Freiheitliche Jenewein als auch Außenamts-Generalsekretär Peterlik ihm solches zugesagt haben. Allerdings kam dann Ibiza dazwischen. Und die freiheitliche Regentschaft im Innen- und Außenministerium war beendet. Aber selbst da versuchten Ott und Co. noch Sand ins Getriebe der ermittelnden Behörden zu streuen, auch mit gezielten Falschinformationen.

Was als Machtkampf ab dem Jahr 2000 begonnen hatte, hat sich in einer bunten Allianz – aus frustrierten Roten, alten Grünen, erst machthungrigen, dann rachedurstigen Blauen – bis heute fortgesetzt. Die juristisch relevanten Details finden sich nun unter der Aktenzahl 711 St 39/17d wieder.


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