Covid-19

Kritik an Impfpflicht-Ausnahmen, Gesundheitsministerium prüft

Das Covid-19-Impfpflichtgesetz ist mit 5. Februar 2022 in Kraft getreten. Kritik werden auch die Ausnahmen.
Das Covid-19-Impfpflichtgesetz ist mit 5. Februar 2022 in Kraft getreten. Kritik werden auch die Ausnahmen.(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Die Ausnahmegründe für die Impfpflicht seien „aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht in keinster Weise nachvollziehbar“, beklagten zuletzt mehrere Fachärzte-Gesellschaften. Das Gesundheitsministerium ist um Beruhigung bemüht.

Eineinhalb Wochen ist es her, dass die allgemeine Impfpflicht in Österreich in Kraft getreten ist. Doch ihre Durchsetzung wird weiterhin infrage gestellt, Kritik kommt von mehreren Seiten. Zuletzt hatten Fachärzte-Gesellschaften bestimmte Ausnahmen des Gesetzes kritisiert. Am Dienstag hat sich daraufhin Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung Impfwesen im Gesundheitsministerium, im Ö1-"Mittagsjournal" zu Wort gemeldet. Sie unterstützte die Meinung der Fachärzteschaft, dass eine reduzierte Immunantwort besser als gar keine Impfung sei. Es werde geprüft, welche Änderungen sinnvoll seien, sagte sie zur geforderten Umformulierung der Verordnung.

Man sei in ständigem Austausch mit den Juristen und Juristinnen, sagte Paulke-Korinek zur mehrfach kritisierten Verordnung zu den Impfausnahmen, über die sich am Dienstag auch die Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (OEGIT) moniert hat. Sie sei in vielen Punkten "unverständlich und teilweise auch patientengefährdend", hieß es von der OEGIT. Letzter Punkt beziehe sich vor allem auf die Tatsache, "dass u.a. empfohlen wird, Patient:innen mit eingeschränkter Immunantwort oder unter immunsuppressiver Therapie, Patient:innen nach Transplantationen oder mit hämato-onkologischen Erkrankungen von der Impfpflicht zu befreien."

Reduzierte Immunantwort „besser als gar keine Impfung"

Zu möglichen Befreiungen sagte Paulke-Korinek, dass es tatsächlich Personen gebe, die nicht impfbar seien, etwa unmittelbar nach Organ- oder Stammzellentransplantationen - "Man möchte diesen Personen, es handelt sich um schwerkranke Menschen, das Leben erleichtern, wo es nur möglich ist." Jedoch unterstütze sie die Meinung, dass eine reduzierte Immunantwort nach einer Impfung besser sei, als gar keine: "Wenn aus medizinischer Sicht eine Impfung möglich ist, dann soll sie zum ehestmöglichen Zeitpunkt natürlich auch gemacht werden", ein suboptimaler Impfschutz sei besser als gar keiner - und zudem gebe es auch einzelne Fälle, bei denen die Impfung auch ganz gut anspreche.

Die Verwunderung der Fachärzteschaft resultiert aus der Tatsache, dass es bei den Ausnahmen meist um Patienten geht, die unter einer immunsuppressiven Therapie stehen. Das ist der Personenkreis, der beim Start der Impfungen noch in der höchsten Prioritätsstufe für eine Impfung stand. Paulke-Korinek meinte dazu, es wäre das individuelle Gespräch mit dem Arzt das Wichtigste zur Beurteilung, der kenne Befunde und Patient.

„Verordnung widerspricht gängigen Empfehlungen"

"Die neue Impfpflicht-Verordnung widerspricht gängigen Empfehlungen für unsere Patientinnen und Patienten", kritisierten die Experten der Nephrologie, Rheumatologie, Gastroenterologie und Transplantationsmedizin am Montag in einem offenen Brief an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Die Ausnahmegründe seien "aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht in keinster Weise nachvollziehbar". Auch die OEGIT schließt sich dieser Argumentation nun an, sie werde als Gesellschaft weiterhin für die in der Covid-19-Impfpflichtverordnung genannten Personengruppen, die nachweislich von einer Schutzimpfung gegen Sars-CoV-2 profitieren, eine entsprechende Impfempfehlung öffentlich abgeben. "Die jetzige Verordnung wird leider zu einer weiteren Verunsicherung beitragen, die Durchimpfungsrate nicht verbessern und den Impfgegner:innen in die Hand spielen." Zudem ersucht die OEGIT um eine Richtigstellung der gefährdenden Empfehlungen zur Impfbefreiung.

"Wir appellieren deswegen an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, diese Verunsicherung auszuräumen", forderten die Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN), die Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR), die Rheumaliga, Austrotransplant und die Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) bereits am Montag. Patienten mit einer entzündlich rheumatischen, gastrointestinalen oder nephrologischen Erkrankung bzw. vor oder nach einer Transplantation sollten sich "impfen und auch boostern lassen", so die gestrige Empfehlung. Auch die Leiter der drei Abteilungen für Rheumatologie an den Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien regierten in einer eigenen Stellungnahme "mit Befremden" auf die Ausnahmen von der Covid-19-Impfpflicht.

>>> Maria Paulke-Korinek im Ö1-"Mittagsjournal"

(APA)

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