Nicht aus sich selbst: Die Formen des Prophetischen sind sonderbar

Prophetische Worte können ganz unterschiedlich klingen. Höre ich eine tiefere Bedeutung in dem, was zu mir gesagt wird?

Das sagte er nicht aus sich selbst; sondern weil er der Hohepriester war, sagte er aus prophetischer Eingebung, dass Jesus für das Volk sterben werde.

Joh 11, 51


Mit siebzehn Jahren erlebte ich jene sonderbare Szene, die noch heute ein Lächeln in mir auslöst. Für eine Woche hatte ich mich auf die Insel Krk zurückgezogen, in einer kleinen Niederlassung von Franziskanern direkt am Meer, um mehr Klarheit für meine Entscheidung zu finden, in welchen Orden ich eintreten solle. Der alte Franziskaner, den ich um Hilfe bat, ließ mich bald wissen, ich würde hier nicht finden, was ich suchte, denn ich wolle zu viel in zu kurzer Zeit.

Dennoch genoss ich die Ruhe und freundete mich mit einigen kroatischen Burschen an, die täglich am Meer tollten, und denen das Anliegen meines Aufenthaltes schwer verständlich erschien. Am vierten Tag aber holten sie mich in die kleine Kirche; der Organist rufe mich. Der schlichte Mann saß an einem Keyboard. Er begann zu spielen und zu singen, improvisierte ein Lied. Die Burschen übersetzten mir mit geheimnisvollem Unterton, er singe: „You will be a priest“, und etwas von „love“.

Beide sollten recht behalten, der Franziskaner und der Organist. Viele Turbulenzen brachte das Leben, bevor ich Priester wurde. Vom Lied auf Krk ist mir eine positive Stimmung geblieben. Ein vertrauensvoller Blick auf das Leben, eine warmherzig stärkende Zusage. Darin empfinde ich etwas Prophetisches. Denn ein ähnliches Lächeln löst es in mir aus, wenn ich in biblischen Zeugnissen entdecke, in welch sonderbaren Formen sich das Prophetische zeigen kann.

Der komischste Vertreter seiner Zunft ist Jona, der alles nur Erdenkliche unternimmt, um sich vor dem göttlichen Auftrag zu drücken, erst im Bauch des Fisches scheinheilig zu beten beginnt, und trotz seines Protestes nicht verhindern kann, dass Gott gerade durch ihn Ninive rettet, die große Stadt.

Ganz anders wieder Jeremia, den es wegen seiner göttlichen Berufung vor Schmerz zerreißt und der dennoch nicht von ihr lassen kann. Denn: „Du hast mich betört, Herr, und ich ließ mich betören. Du hast mich gepackt und überwältigt...Und sagte ich: ,Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!‘, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich, es auszuhalten, und konnte nicht“ (Jer 20).

Wieder anders kommt das Prophetische zum Vorschein, wenn Johannes in der Aussage des Hohenpriesters, Jesus werde für das Volk sterben, prophetische Eingebung erkennt.

Vielleicht könnte ich anders hinhören, würde ich in an mich gerichteten Worten mit dem Prophetischen rechnen, in unerwarteten oder sogar sonderbaren Formen. Vielleicht würde sich in vorerst störenden Aussagen eine tiefere Bedeutung auftun. Und vielleicht hat es etwas Befreiendes zu glauben, dass auch durch meine Worte etwas geschehen könnte, was ich aus mir allein nicht bewirken kann.

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)

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