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Nach dem G20-Gipfel ist vor dem G20-Gipfel

Nach G20Gipfel G20Gipfel
(c) REUTERS (JASON REED)
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Nach den dramatischen G20-Gipfeln in Washington und London lässt die Dynamik bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs nach. Wenigstens ist man sich einig, worüber man sich bald einigen will.

[Seoul]Barack Obama erklärte die G20-Gipfelphilosophie mit einer Baseball-Metapher: „Es gibt nicht immer einen Homerun, manchmal kommt man nur ein Feld weiter.“ Ein Homerun, das ist der Traum jedes Baseballspielers.

Der soeben zu Ende gegangene Gipfel in Seoul wird jedenfalls keine neue Zeitrechnung in der globalen Weltwirtschaft markieren, keine neue Ära einleiten. Dennoch wird er von allen Beteiligten als Erfolg gewertet. Deshalb, weil man sich zumindest darauf geeinigt hat, worauf man sich beim nächsten G20 in Cannes einigen will.

Im Schlussdokument heißt es, dass man sich darauf verständigt hat, mehr Wechselkursschwankungen zuzulassen. Diese Passage richtet sich an China. Das Reich der Mitte war von allen Seiten unter Druck gekommen. In Washington gilt es ja als zunehmend chic, China für die anhaltende wirtschaftliche Malaise in den USA verantwortlich zu machen: China würde seine Währung künstlich niedrig halten, um seinen Exporteuren einen Vorteil zu verschaffen, klagen die Kongressabgeordneten. Freilich: Bei Monatslöhnen von umgerechnet 90 bis 250 Dollar für Arbeiter wird die Bedeutung des Vorteils eines niedrigen Kurses der chinesischen Währung gerne überschätzt. Obama spricht dennoch deutliche Worte: „Die chinesische Währung ist unterbewertet. China gibt Milliarden aus, damit die Währung weiter unterbewertet wird.“ Das müsse sich bald ändern.

Peking hat ja zuletzt Flexibilität erkennen lassen: In Hongkong experimentiert man mit einem Anleihemarkt in chinesischer Währung. Das Praktische an Hongkong: Der Hongkong Dollar ist an den US-Dollar gebunden, die Stadt am Perlfluss ist das ideale Versuchslabor, den Renminbi langsam und vorsichtig zu floaten. Obama hat zu erkennen gegeben, dass er durchaus bereit ist, sich da in Geduld zu wappnen.

Doch auch eine verklausulierte Mahnung an die USA findet sich in dem Papier: Industrieländer, „vor allem jene mit Reservewährungen“, sollen „Volatilität und extreme Währungsschwankungen“ verhindern. Die amerikanische Notenbank hatte ja Tage vor dem Gipfel angekündigt, 600 Milliarden Dollar (per Staatsanleihenankauf) „drucken“ zu wollen, was vor allem den Europäern und Chinesen gar nicht gefallen hat.

Am längsten hatten die „Sherpas“ – so nennt man im Gipfeljargon die mitgereisten Regierungs- und Ministerialexperten – am Thema Handelsungleichgewichte zu kauen. US-Finanzminister Tim Geithner hatte ja bereits beim G20-Finanzministertreffen in Gyeongju (Südkorea) angeregt, künftig die Handelsbilanzüberschüsse oder -defizite mit einem Begrenzungsmechanismus bändigen zu wollen. Bis vier Uhr früh wurde über die Formulierung gestritten, einzelne Gipfelteilnehmer – beispielsweise die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel – sind aber immer noch unzufrieden. Die Strategie – nicht nur Deutschlands – wird nun wohl sein, den Mechanismus so zu verwässern, dass er relativ zahnlos bleibt.

 

Auf Sarkozy wartet viel Arbeit

Auf Präsident Nicolas Sarkozy wartet 2011 also einiges an Arbeit. Dass er die Umgestaltung der Währungsarchitektur in Angriff nehmen will, hat er am späten Nachmittag bei seiner Pressekonferenz in Seoul bekräftigt: Die unangefochtene Dominanz des Dollars gehört der Vergangenheit an, die Zukunft gehört wohl einem Währungskorb, in dem der Dollar eine wichtige Rolle spielen wird, in dem aber Euro, Yen und hinkünftig wohl auch die chinesische Währung Renminbi vertreten sein werden. Anhaltende Unsicherheit auf den Währungsmärkten wird somit weiter für hohe Gold- und Rohstoffpreise sorgen.

Dem G20-Vorsitzenden, dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak, bleibt, sich an der Dankbarkeit der Gipfelteilnehmer zu laben, die unisono die professionelle Gipfelabwicklung gelobt haben. An Korea hat es nicht gelegen, dass der Gipfel nicht in die Geschichte eingehen wird, sondern an der Visionslosigkeit der meisten Staats- und Regierungschefs, die sich nun, nachdem die Weltwirtschaft aus dem Schlimmsten heraus ist, wieder in Kleinkrämerei üben.

Auf einen Blick

Der Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Seoul ist ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Die wirklich drängenden Fragen der Weltwirtschaftsordnung bleiben ungelöst. Im Schlussdokument heißt es lediglich, dass man sich darauf verständigt hat, mehr Wechselkursschwankungen zuzulassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)


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