Klimawandel

Medicanes statt Hurricanes: Warum es in Österreich stürmischer wird

Die Zerstörung durch das gestrige Sturmtief war insbesondere in Deutschlang ungewöhnlich hoch.
Die Zerstörung durch das gestrige Sturmtief war insbesondere in Deutschlang ungewöhnlich hoch.APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner
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Das gestrige Sturmtief war nur ein Vorgeschmack dessen, was Mitteleuropa in Zukunft erwarten wird. Der Klimawandel könnte in Zukunft vermehrt sogenannte „Medicanes" zu uns treiben.

Der Orkan „Ylenia“ hat in Österreich, Deutschland und Tschechien Verwüstung angerichtet, die in dieser Form für Mitteleuropa untypisch ist. Er bringt aber auch noch etwas ganz anderes mit sich: die Angst, ob wir uns in Zukunft auf ähnliche oder sogar noch verheerendere Stürme einstellen müssen. Dass der Klimawandel auch für Österreich Veränderungen bedeuten wird, ist de facto keine Neuigkeit. Trotzdem blieb er trotz steigender Temperaturen ein eher abstraktes Konstrukt – eine Problematik, die Klimaschutzmaßnahmen maßgeblich erschwert. Für manche Betroffene ist die Gefahr wohl gestern um einiges greifbarer geworden. Grund genug, um sich ein Bild über die Klimagefahren der nächsten Jahre zu verschaffen.

Die gute Nachricht zuerst: Hurrikans, wie man sie aus Nord- und Mittelamerika kennt, sind in absehbarer Zukunft wohl auch in Zentraleuropa nicht zu erwarten. Obwohl tropische Wirbelstürme durch die Erderwärmung in Zukunft weiter in Richtung Norden wandern werden, werden sie durch eine günstige Luftverteilung auch in Zukunft vom mitteleuropäischen Raum ferngehalten werden. Viel wahrscheinlicher ist das Auftreten von sogenannten „Medicanes“ – Orkanen, die bisher vermehrt in der Mittelmeerregion aufgetreten sind. Diese Stürme ähneln zwar den „klassischen“ Hurrikans, sind aber deutlich kleiner und daher weniger gefährlich. Außerdem treten sie verglichen mit ihren großen Geschwistern deutlich weniger häufig auf.

216 Millionen Klimageflüchtete bis 2050

Die schlechte Nachricht: Trotzdem wird es in den nächsten Jahren auch in Österreich vermehrt und vor allem stärkere Stürme und Gewitter geben. Schuld daran sind die Jetstreams, deren Richtung und Geschwindigkeit maßgeblich von Temperatur und Druck beeinflusst wird. Durch die Erderwärmung kommen nun auch vermehrt Tiefdruckgebiete, die sich ursprünglich eher in Nordeuropa aufgehalten hätten, in unsere Regionen. Jener Jetstream, der in der Vergangenheit eher Richtung Island, die Britischen Inseln und den Nordatlantik zeigte, verlagert sich nun in Richtung Süden. Der Klimawandel sorgt eben nicht nur für Erderwärmung, sondern vor allem für Wetterextreme. Das bedeutet, dass uns in Zukunft stärkere Orkane, Dürreperioden, heftige Regenfälle und Gewitter und ähnliche Phänomene erwarten werden.

Über kurz oder lang werden die neuen Wettererscheinungen sich auf die Demografie und die Lebenswelt der Menschen in Mitteleuropa auswirken. Bereits 2018 hatte die Weltbank davor gewarnt, dass bis 2050 140 Millionen Menschen durch klimatische Veränderungen aus ihrer Heimat vertrieben werden könnten. Mittlerweile hat sich diese Schätzung sogar bereits auf 216 Millionen Klimageflüchtete in den nächsten 30 Jahren erhöht. Wetterwarnungen, die in der Vergangenheit in Österreich eher auf die leichte Schulter genommen wurden, können in Zukunft Leben retten. Bereits gestern haben durch „Yelania“ zwei Menschen ihr Leben verloren, die trotz der Gefahr des Baumbruchs durch den starken Wind in Gefahrenzonen unterwegs waren.

Bewusstsein für Gefahrenlage hinkt hinterher

In den kommenden Jahren werden Österreicherinnen und Österreicher sich gezwungenermaßen mehr mit dem Wetter beschäftigen müssen. Sei es, um Gefahren aus dem Weg zu gehen oder um das eigene Heim sturmsicher zu machen. Jene Windstärken, die uns in näherer Zukunft erwarten könnten, würden zwar die Bausubstanz zentraleuropäischer Häuser nicht gefährden, jedoch sei die Möglichkeit von Dachschäden durch herabstürzende Bäume durchaus real, meint Klaus Haslinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) gegenüber dem Magazin „Futurezone". Die Organisation hat daher seit Kurzem auf ihrer Website eine interaktive Karte eingerichtet, auf der gezielt nach der Gefährdungslage in bestimmten Regionen gesucht werden kann. Mit nur einem Klick gibt es Empfehlungen, wie man sich aktuell vor Wettergefahren schützen kann. So wird etwa dazu geraten, aufgrund starken Seitenwindes langsamer zu fahren – ein Hinweis, der am gestrigen Sturmtag in Österreich wohl einige Unfälle hätte verhindern können.

Zu verhindern sind die kommenden Wetterveränderungen bei aktuellem Stand des Klimawandels jedenfalls nicht mehr. Fakt ist, dass sich die Menschen in Mitteleuropa über kurz oder lang wohl mit den neuen Bedingungen arrangieren müssen. Auch kostentechnisch wird einiges auf Europas Regierungen zukommen. Die Schadensbegrenzung und Aufräumarbeiten könnten sich in den nächsten Jahren in Milliardenhöhe bewegen. Die EU wird auch trotz Einsparungen bei Klimaschutzmaßnahmen nicht um erhebliche Ausgaben aufgrund des Wetters herumkommen. Der Klimawandel fordert eben seinen Tribut.

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