Computer-Housing

Rechenzentren: Eine Nische im Aufwind

Mit fortschreitender Digitalisierung steigt auch der Bedarf an neuen Rechenzentren.
Mit fortschreitender Digitalisierung steigt auch der Bedarf an neuen Rechenzentren.Getty Images/iStockphoto
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Noch befindet sich der Markt für Computer-Housing in den Händen großer, spezialisierter Fonds. Durch die sich beschleunigende Digitalisierung eröffnen sich aber zunehmend Chancen auch für kleinere Mitspieler.

Der US-Technologiekonzern Microsoft dürfte sich in Achau im niederösterreichischen Bezirk Mödling ansiedeln. Gekauft
wurden dort 2021 rund 36.700 Quadratmeter Land in einem Gewerbegebiet für etwa 17,7 Mio. Euro. Das geht aus Recherchen des Wirtschaftsmagazins „Gewinn“ hervor, heißt es in einer APA-Aussendung (vom 2. Juni 2022).  Entstehen dürfte eines von drei in Ostösterreich geplanten Rechenzentren. Das Unternehmen selbst hält sich zu dem Vorhaben bedeckt. Verwiesen wird auf Sicherheitsgründe.

Als im Februar 2021 die Nachricht durchsickerte, dass Microsoft im niederösterreichischen Schwechat ein rund 40.000 Quadratmeter großes Betriebsgrundstück gekauft hat, sorgte das in Wirtschaftskreisen für Aufsehen. Hellhörig wurde man vor allem in der Immobilienbranche, zumal der IT-Riese bereits im Herbst 2020 angekündigt hatte, eine Milliarde Euro in österreichische Rechenzentren investieren zu wollen. „Das ist zweifellos ein spannendes Thema“, kommentierte etwa Georg Fichtinger, Head of Investment Properties beim Consulter CBRE.

In einschlägigen Analysen wird schon seit einigen Jahren auf das Potenzial von Rechenzentren aufmerksam gemacht. Sie gelten als krisensicher, renditestark und ob der langfristigen Mietverträge als verwaltungsfreundlich. Als Treiber hat sich die im Zuge der Coronapandemie noch einmal beschleunigte Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche erwiesen. Die Schlagworte lauten: Cloud Computing, Big Data, Industrie 4.0, das Internet der Dinge (IoT) oder E-Commerce – alles Entwicklungen, die den Bedarf an Rechenleistung und somit des Computer-Housings erheblich steigen lassen.

Hotspot Frankfurt

Während in Österreich bisher erst wenige Projekte bekannt wurden – Fichtinger verweist neben dem Grundstückskauf von Microsoft etwa auf das NTT Global Data Center in der Triester Straße –, ist man in anderen Ländern schon weiter. Vor allem in den europäischen Finanz- und Verwaltungsmetropolen schießen Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden. Dazu gehören laut CBRE vor allem die sogenannten FLAP-Märkte: Frankfurt, London, Amsterdam und Paris.

Besonders stark wächst der Markt in Frankfurt am Main. Die deutsche Finanzmetropole ist in den letzten Jahren zum zweitgrößten Bereitsteller von Serverleistungen in Europa aufgestiegen und rangiert einer Studie von Jones Lang LaSalle (JLL) zufolge mittlerweile an zweiter Stelle hinter London. Entscheidend dabei ist – ganz immobilientypisch – die Lage: Frankfurt ist nicht nur eine pulsierende Wirtschaftsmetropole, hier befindet sich auch mit dem DE-CIX der größte Internetknoten der Welt, verteilt auf 19 Standorte in der Stadt und Umgebung. „So wird erst nachvollziehbar, dass internationale Akteure der Rechenzentrumswelt bereit sind, mit 2000 Euro pro Quadratmeter das Zehnfache des Bodenrichtwerts für ein Gewerbegrundstück am Frankfurter Stadtrand zu bezahlen“, kommentiert Michael Jakobi, Senior Consultant Contagi Digital Impact Group, in einem Beitrag für den Finanzplatz Frankfurt/Main.

Den Investoren-Mainstream haben Rechenzentren aber selbst an solchen Knotenpunkten noch nicht erreicht. Laut Jakobi befindet sich der Markt bisher vor allem in den Händen spezialisierter REITs (Real Estate Investment Trusts), institutioneller Investoren oder Telekommunikationskonzernen. Ein Beispiel hierfür ist Ascendas REIT, Singapurs größter börsenotierter Investmentfonds für Industrieflächen und Industrie-Immobilien. Dessen Management hat erst im März des Vorjahres die Übernahme eines Portfolios von elf Rechenzentren in ganz Europa bekannt gegeben. „Wir sehen sehr viel Potenzial im Rechenzentrumsgeschäft und werden noch weitere Akquisitionen tätigen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt“, kommentierte William Tay, Executive Director, den Kauf.

Verteilungsnetz ausbaufähig

Jakobi sieht auf diesem Markt aber durchaus auch Platz für kleinere Akteure. Viele der neuen Technologien würden ein deutlich dichteres Netz von verschiedenen Datenverarbeitungs- und kleineren Rechenzentren benötigen, ähnlich einem Verteilungsnetz in der Logistik, argumentiert er. „Abgesehen von wenigen Metropolregionen ist dieser Bereich aktuell alles andere als flächendeckend aufgestellt und bietet somit ein erhebliches Potenzial für regionale Akteure – zu nennen sind hier insbesondere Energieversorger, Projektentwickler oder Grundstück- und Immobilieneigner“, betont der Experte.

AUF EINEN BLICK

Laut der Studie „2020 Year-End Data Center Outlook“ von JLL schießen Rechenzentren vor allem im Umfeld der großen Finanzmetropolen wie Pilze aus dem Boden. Zu den wichtigsten europäischen Standorten gehört dabei London, gefolgt von Frankfurt am Main und Amsterdam. Mit zunehmender Digitalisierung werden laut Experten aber auch B- oder C-Städte interessant, in Deutschland werden unter anderem Offenbach, Dortmund, Magdeburg oder Karlsruhe genannt. In Österreich ist der Markt noch relativ wenig beackert.

So vielversprechend das Potenzial auch ist – unproblematisch ist dieser Nischenmarkt nicht. Das beginnt bereits bei geeigneten Betriebsgrundstücken, die über einen entsprechend starken Stromanschluss verfügen müssen. Denn Rechenzentren sind Energiefresser. Laut einer Analyse des deutschen Immobiliendienstleisters Aengevelt Research verbrauchen die Rechenzentren im Raum Frankfurt/Main schon jetzt mehr Strom als der Flughafen. Insgesamt gehen rund 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs dieser Region auf ihr Konto. Das bringt sie in Konflikt mit den Klimazielen, ein Konflikt, der sich auf dem Immobilienmarkt mit den neuen ESG-Regelungen noch verschärfen wird.

Konfliktfeld Nachhaltigkeit

Deshalb gibt es verstärkt Forderungen, zumindest die Abwärme der Kühlanlagen der Rechenzentren für die Beheizung von Wohn- und Bürogebäuden oder von kommunalen Einrichtungen zu nutzen sowie den gewaltigen Strombedarf überhaupt mit erneuerbaren Energien zu decken. Oft liefen Rechenzentrumsprojekte zudem städtebaulichen Entwicklungskonzepten zuwider, betont Daniel Milkus, Mitglied der Aengevelt-Geschäftsleitung: „Rechenzentren sind einerseits dringend notwendig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, auf der anderen Seite aber so unästhetisch und ungewollt wie Windräder im Vorgarten.“ Milkus geht davon aus, dass neue Projekte künftig hinsichtlich ihrer Genehmigung daher steigende planerische und politische Anforderungen erfüllen müssen – sei es im Hinblick auf Strom- und Flächenverbrauch, Abwärmenutzung, sei es im Bereich der Ästhetik und Architektur.

(ebe/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2022 (aktualisiert am 08.06.2022))

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