Red Bull: Schneller, höher, weiter – aber wohin?

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Hunderte Millionen Euro investiert Red Bull in die Förderung von Sportlern und Vereinen. Doch nicht jedes Engagement bringt Erfolge. Und das Geld sitzt neuerdings bei Mateschitz nicht mehr so locker wie früher.

Die zwei Helden sind jung und halbwegs fesch, ehrgeizig und rücksichtslos, beide unterwegs zum größten Erfolg ihres Lebens – oder zur bittersten Niederlage ihrer Karriere. Und das Schönste: Sie können einander auf den Tod nicht ausstehen.

Niki Lauda beklagt gern, dass die Formel 1 heute nicht mehr den Glamourfaktor der Siebzigerjahre biete. Doch Red Bull holt derzeit das Maximum heraus. Der Gladiatorenkampf um den Weltmeistertitel beschäftigt die Sportwelt nun schon seit Wochen. Wird Sebastian Vettel seinen Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber im Ernstfall vorbeilassen? Oder wird er tun, was er angekündigt hat, nämlich „nicht rechnen, sondern fahren“? Für Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ist der Ausgang des Spektakels eigentlich egal. Mehr Werbewert, als er schon hatte, kann auch ein Weltmeistertitel nicht abwerfen.

Wo ist Meuselwitz?
Ein klein wenig bescheidener geht es dieser Tage beim RB Leipzig zu. Der im Sommer 2009 von Red Bull übernommene Fußballverein liegt in der deutschen Regionalliga Nord auf Tabellenplatz vier. Das letzte Match gegen den „FC Energie Cottbus II“ endete mit einer 1:3-Niederlage. Heute spielt der Verein daheim gegen den Tabellenzwölften. Ein Sieg wäre wichtig, der Abstand zur Spitze beträgt ohnehin schon neun Punkte. Auf der Homepage des Vereins können die Fans an einer Umfrage teilnehmen: „Wie viele Zuschauer werden gegen Meuselwitz in die Red Bull Arena kommen?“ Dietrich Mateschitz kann auch das egal sein. Der Werbewert einer Partie gegen Meuselwitz ist sowieso unterirdisch.

Es wird eben nicht alles zu Gold, was der mittlerweile 66-jährige Red-Bull-Gründer in die Hand nimmt. Bei der Fülle an Sponsor-Aktivitäten wäre das auch kaum möglich. Rund 1,4 Milliarden Euro schwer ist das Marketingbudget des Unternehmens nach eigenen Angaben. Ein großer Teil dieser gigantischen Summe fließt in den Sport. Angeblich muss jedes Sponsoring dem Verkauf des Produktes dienen. Aber es darf vermutet werden, dass Mateschitz mitunter einfach aus dem Bauch heraus entscheidet. Nach einem durchdachten Sortiment sieht das sportliche Sammelsurium längst nicht mehr aus.

Die besten Partys. Fast 600 Athleten sind bei Red Bull unter Vertrag, von der Skirennläuferin Lindsey Vonn über den Basejumper Felix Baumgartner bis zum mehrfachen Weltmeister im Cliff Diving, Orlando Duque. Fußballvereine in Österreich, Deutschland, Brasilien und den USA gehören zum Imperium. Die Formel 1 bespielt das Unternehmen als bisher erster Investor gleich mit zwei Teams, mit Red Bull Racing und der Scuderia Toro Rosso. Allein die Königsklasse des Motorsports soll pro Jahr mehr als 130 Millionen Euro verschlingen.

Red Bull hat eigene Sportarten kreiert, wie das „Air Race“, eine Art Hindernisparcours für Kunstflieger. Im Red-Bull-Trainingszentrum in Taxham steht den Sportlern jeder erdenkliche Luxus zur Verfügung. In Brasilien und Ghana betreiben die Salzburger eigene Fußball-Akademien. Und wenn Red Bull eine Veranstaltung sponsert, sind rauschende Feste und hübsche Mädchen zuverlässig Teil des Programms. Die Frage laute oft, „Braucht Red Bull den Sport, oder braucht der Sport Red Bull zur Finanzierung“, sagte Mateschitz einmal in einem Interview. Um die Antwort drückte er sich. Dabei ist sie nicht so schwierig: Red Bull braucht den Sport.

„Red Bull verleiht Flüüügel“, dieser Slogan war von Beginn an der Motor im Marketing des Energydrink-Erzeugers. Anfangs setzte Mateschitz ganz auf die Party-Schiene der Leibesertüchtigung. Gesponsert wurden möglichst verwegen aussehende Funsportler aller Art. Doch das Produkt kommt in die Jahre – und mit ihm seine Konsumenten. Red-Bull-Trinker der ersten Stunde sind mittlerweile nicht mehr fit genug, um sich nächtelang auf Raves herumzutreiben. Sie sitzen lieber daheim und sehen fern, Fußball zum Beispiel. „Aus einem Nischenprodukt ist eine Mainstream-Ware geworden“, erklärt ein Sprecher von Red Bull. „Diesem Umstand mussten wir uns anpassen.“

2005 übernahm Red Bull folglich den SV Austria Salzburg und versprach, ein Fußballmärchen wahr zu machen. Das Geld floss in Strömen, und die Erfolge sollten sich umgehend einstellen. Dafür nahm man auch in Kauf, dass langjährige Fans dem Klub verbittert den Rücken kehrten. Neuer Name, neue Trikots, ganz neue Vereinsregeln – das war zu viel auf einmal. Leider blieb das Fußballmärchen aus. Der FC Red Bull Salzburg wurde seither zwar dreimal Meister, schaffte es aber kein einziges Mal in die Champions-League. Mateschitz' Millionen reichen aus, um in Österreich halbwegs zuverlässig um den Titel zu spielen, für internationales Renommee genügen sie nicht.

Rasenball in Leipzig.
Deshalb wurde die Strategie geändert. Im Sommer 2009 kaufte Red Bull den ostdeutschen Fünftligisten SSV Markranstädt und machte daraus den RB Leipzig. RB steht offiziell für „Rasenballsport“, weil es in Deutschland verboten ist, Fußballvereine auf den Namen ihrer Gönner zu taufen. Der Verein soll auf dem schnellsten Weg und mit viel Geld in die Bundesliga aufsteigen und dann ebenfalls so schnell wie möglich in internationale Bewerbe. Zugeben will das niemand, aber für Red Bull Salzburg bliebe dann wohl nur noch die Rolle als eine Art luxuriöses Ersatzteillager.

Wie in Salzburg hat Red Bull auch in Ostdeutschland die Fans zunächst einmal verstört. Es gelte „als chic, den Klub mit dem seltsamen Namen ein bisschen zu hassen“, schreibt das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Wie ein Bulldozzer walzten die Österreicher sämtliche Traditionen des Vereinslebens nieder. Beim ersten Spiel unter neuer Führung trugen Fans mit einem Holzkreuz symbolisch den Fußball zu Grabe. „Man muss schon verstehen, dass ein Unternehmen klare Ziele verfolgt. Das verträgt sich manchmal nicht mit den Wünschen der Fans“, sagt Dietmar Beiersdorfer, Chef der Fußball-Aktivitäten bei Red Bull.

So erfolgreich die Formel 1 derzeit ist, der Fußball macht dem Sponsor wenig Freude: In Österreich reicht es aktuell nur für Platz sechs in der Tabelle, acht Punkte hinter dem Provinzverein Ried. Die „Red Bulls“ in New York, für die extra ein 150 Millionen Dollar teures Stadion gebaut wurde, sind gerade im Play-off ausgeschieden. In Ostdeutschland sieht es ebenfalls nicht nach einem Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse aus. „Wir versuchen, den Rückstand unter Kontrolle zu halten. Abgeschrieben haben wir das Jahr noch nicht“, sagt Beiersdorfer.

Auf bis zu hundert Millionen Euro schätzen Beobachter die Summe, die Red Bull jedes Jahr in den Fußball investiert. Das Geld ist da. Doch ganz so locker wie noch vor ein paar Jahren sitzt es auch in Fuschl nicht mehr.

Nur eine Idee.
Genau genommen basiert die Weltmarke Red Bull auf einer einzigen Idee. Dass Dietrich Mateschitz 1987 – gegen den Rat aller verfügbaren Marketingexperten – seinen picksüßen Energydrink auf den Markt brachte, war ein genialer Streich. Der Markt hatte offenbar genau darauf gewartet, und eine geschickte Werbestrategie pushte den Koffeinsaft in Dimensionen, die selbst Mateschitz nicht vohergesehen hatte.

Danach kam allerdings nicht mehr viel. Sämtliche Produktinnovationen seither floppten mehr oder weniger geräuschvoll. Über das Teegetränk „Kombucha“ und den Grünteedrink „Gingko“ verliert nicht einmal mehr die eigene Homepage ein Wort. Die bisher letzte Kreation, eine angeblich aus rein natürlichen Zutaten hergestellte Cola, kommt ebenfalls nicht recht in Fahrt. Red Bull ist Red Bull, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die Konzentration auf ein einziges, seit Jahren ausgereiftes Produkt macht das Unternehmen extrem abhängig von den Launen der Konsumenten. Lange war das kein Problem, die jährlichen Zuwachsraten blieben konstant im zweistelligen Bereich. Doch in der Wirtschaftskrise bekam Red Bull eine Vorahnung davon, was passieren kann, wenn man nur einen Bullen im Stall hat. 2009 war der Umsatz zum ersten Mal rückläufig, der Nettogewinn sank auf 123 Millionen Euro und war damit nur noch halb so hoch wie vor der Rezession. Heuer sollte es wieder besser laufen, prognostiziert ist ein Umsatz von 3,3 Milliarden Euro und rund 4,4 Milliarden verkaufte Dosen. Von den ursprünglich für 2010 angepeilten sechs Milliarden Dosen ist das allerdings weit entfernt.

Red Bull steckt nicht in der Krise, aber die Höhenflüge der Vergangenheit sind bis auf Weiteres vorbei. Mittlerweile gibt es auf einigen wichtigen Märkten sogar schon ernsthafte Konkurrenz, etwa durch die Coca-Cola-Kreation „Relentless“. Mateschitz will nicht von einem Sparprogramm reden. Aber er habe innerhalb des Unternehmens ein Kostenbewusstsein schaffen müssen, erklärte er vor Kurzem. „Viele haben ja nach dem Motto ,Was kostet die Welt?‘ gelebt.“

Basejumper Felix Baumgartner ist wohl ein Opfer dieser neuen Rechenkünste geworden. Jahrelang tüftelte er an dem Projekt „Red Bull Stratos“, einem freien Fall aus 36 Kilometern Höhe. Vor ein paar Wochen wurde die Aktion bis auf Weiteres abgesagt. Offizielle, etwas seltsame Begründung: Ein Amerikaner beanspruche die Rechte daran und habe eine Millionenklage eingereicht. Tatsächlich dürfte sich der Sponsor hauptsächlich vor den gigantischen Kosten gefürchtet haben. Ausflüge in die Stratosphäre sind finanziell eine ganz andere Liga als jede noch so teure Marotte auf festem Boden. Außerdem bestand das Risiko, am Ende mit einem toten Helden dazustehen, dem Red Bull leider doch keine Flügel verleihen konnte.

Auch das „Red Bull Air Race“ wird 2011 nicht stattfinden. Man wolle die Auszeit nützen, „um den zukünftigen Erfolg zu sichern und technische Fortschritte umzusetzen, die den Sport noch sicherer machen werden“, hieß es. 2012 sollen die Kunstflugshows angeblich wieder stattfinden.

Letztlich wird diese Entscheidung, wie jede andere von einiger Bedeutung, Dietrich Mateschitz allein treffen. Ein großer Freund der Basisdemokratie war der Steirer noch nie. Ohne seine Sturheit wäre er nicht geworden, was er ist. Und mit seiner Idee für Red Bull hatte er seinerzeit so kolossal recht, dass sich das Rechthaben mit der Zeit offenbar zu einer Lebenseinstellung verfestigte.

Wichtig ist nur das Produkt.
Journalisten, die Dietrich Mateschitz Mitte der Neunzigerjahre in Fuschl besuchten, erlebten einen umgänglichen Mann, der mit ansteckender Begeisterung stundenlang über sein Werk plauderte. Zehn Jahre später saß bei solchen Terminen ein Mitarbeiter daneben, der kritische Fragen mit bösem Blick und jede Äußerung des Meisters mit begeistertem Nicken quittierte. Heute lesen sich Mateschitz-Interviews für gewöhnlich wie Bulletins einer Staatskanzlei; das liegt auch daran, dass der Red-Bull-Chef am liebsten über E-Mail kommuniziert.

Die in der Werbung unter anderem von Lindsey Vonn gepriesene „Welt von Red Bull“ kann, aus der Nähe betrachtet, schnell ein wenig paranoid wirken. Der Dame in der Telefonvermittlung ist es untersagt, Durchwahlen oder Handy-Nummern möglicher Gesprächspartner bekannt zu geben. Einzelne Mitarbeiter haben in der Öffentlichkeit nicht direkt Sprechverbot, sind aber angehalten, ihren Namen und ihre Funktion nicht in den Vordergrund zu rücken: „Bei Red Bull ist nur eines wichtig“, sagt ein Angestellter, „und zwar das Produkt.“ Völlig ungeregelt ist auch die Nachfolge: Der Gründer befindet sich bereits im Pensionsalter, doch jeder potenzielle Kronprinz in den letzten Jahren gab irgendwann auf oder wurde entfernt.

Weil die Nachfolgeprodukte von Red Bull allesamt floppten, versucht sich das Unternehmen nun in anderen Branchen. Vor einem Jahr startete der Sender „Servus TV“, der es mit großem Aufwand bis dato nur auf 0,4 Prozent Marktanteil bringt. Das Programm ist eine bunte Mischung aus Sport (vorrangig von Red Bull gesponserte Bewerbe und Athleten), bodenständigem Regionalfernsehen und eingekauften Dokumentationen. Seit 2008 können wahre Fans auch mit Red Bull telefonieren. Der Handyvertrag beinhaltet Informationen über Sportveranstaltungen und andere von den Bullen finanzierte Events. Zum Multimedia-Angebot gehören außerdem noch zwei Printprodukte, das „Seitenblicke Magazin“ und das „Red Bulletin“. Letzteres erscheint monatlich als Beilage von Tageszeitungen und zwar, wie großspurig verkündet wird, „in acht Ländern auf drei Kontinenten“.

Gewinne wirft das alles bis jetzt nicht ab. Im schlechtesten Fall hat sich Mateschitz mit seinem Medien-Bauchladen nur Präsentationsflächen für von ihm finanzierte Sportveranstaltungen gekauft. Auch nicht schlecht – solange man es sich leisten kann.

In der Außenwirkung ist Red Bull kein Getränkehersteller mehr, sondern ein Eventveranstalter mit angeschlossenem Limonadenvertrieb. Mitunter kann das böse ins Auge gehen, wie etwa am Ostersonntag 2008, als der FC Red Bull Salzburg gegen Rapid ein 0:7 kassierte. „Red Bull belebt Geist und Körper? Von wegen!“ höhnte daraufhin die deutsche Tageszeitung „Bild“.

Keine Stallorder. Die Formel 1 dagegen lieferte in diesem Jahr fast nur Schlagzeilen nach dem Geschmack von Didi Mateschitz. Beim Publikum und in der Fachwelt herrscht gleichermaßen Bewunderung, dass die Österreicher auf eine Stallorder verzichten. Beide Fahrer würden gleich behandelt, ganz egal, ob das den WM-Titel koste oder nicht. „Spaßig und spannend ist es allemal“, findet Mateschitz.

Vielleicht geht es dabei auch ein klein wenig ums Geschäft. Wenn einer seiner Fahrer bremsen müsste, wäre das der Deutsche Sebastian Vettel – und Deutschland ist nun einmal ein wichtiger Markt für Red Bull.

Eine Idee aus Aisen

Die Entdeckung
198
2 entdeckte der damalige Blendax-Marketingmanager Dietrich Mateschitz in Asien den Energydrink „Krating Daeng“ (Roter Bulle). Erzeuger war der thailändische Geschäftsmann Chaleo Yoovidhya. Mateschitz war überzeugt, dass der Drink auch in Europa ein Erfolg werden würde. Gemeinsam mit Yoovidhya gründete er 1984 die Red Bull Trading Company. Drei Jahre später brachte er Red Bull in Österreich auf den Markt. Mateschitz besitzt bis heute nur 49 Prozent am Unternehmen, die Mehrheit hält Familie Yoovidhya.

Der Erfolg
Red Bull wird in über 160 Ländern getrunken. Rund 4,4 Milliarden Dosen sollen heuer verkauft werden. Produziert wird der süße Saft allerdings nicht in der Firmenzentrale in Fuschl am See, sondern hauptsächlich vom Vorarlberger Fruchtsafthersteller Rauch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2010)

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