Zertifikat-Schwindel

Bio-Baumwolle könnte gar nicht bio sein

Zertifikate für Bio-Baumwolle sind anfällig für Betrug.
Zertifikate für Bio-Baumwolle sind anfällig für Betrug.
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Mithilfe von Biosiegeln und Zertifikaten versprechen „Fair Fashion“-Labels oft eine umweltfreundlichere und ethisch produzierte Mode. Doch die Labels sind anfällig für Betrug.

„Bio-Baumwolle“, das bedeutet Anbau ohne chemische Pestizide oder Düngemittel, Pflanzen ohne gentechnische Veränderung. Für viele kleine und größere Modeanbieter ist die anteilige oder auch alleinige Verwendung von Bio-Baumwolle mittlerweile Standard.

Eine ausführliche Recherche der Zeitung „New York Times“ legt nun nahe, dass die Kontrollsysteme für Bio-Zertifikate in Indien, dem weltgrößten Baumwollproduzenten, durchlässig sind und Betrug ermöglichen.

Weitergereichte Siegel und seltene Überprüfungen

Ein T-Shirt oder Pullover wird Konsumentinnen und Konsumenten als - oftmals teures - Endprodukt mittels Zertifikat als „aus Bio-Baumwolle hergestellt“ ausgewiesen. Die Organisationen, die entsprechende Zertifikate vergeben, sind aber wiederum auf teilweise uneinsichtige Kontrollorganisationen angewiesen. Diese würden die Produktionsstätten der Baumwolle meist nur einmal jährlich kontrollieren. Dabei würde überprüft, ob herkömmliche und biologische Baumwolle voneinander getrennt verarbeitet wird. Das eigentliche Produkt, die Baumwolle, würde dabei nicht getestet, etwa darauf, ob sie mit Pestiziden behandelt wurde. Große Handelsunternehmen können so, angesprochen auf die angeblichen Betrugsfälle, die Verantwortung von sich weisen. Was innerhalb der Lieferketten passiere, liege außerhalb ihrer Kontrolle.  

Ein weiteres Problem bestehe darin, dass produzierte Bio-Baumwolle ihr Siegel behält, auch wenn sie in der Produktionskette weiterverkauft und -verarbeitet wird. Wird die Baumwolle innerhalb dieses Prozesses beispielsweise mit giftigen Chemikalien behandelt, bleibt die Bio-Zertifizierung trotzdem bestehen.

Mit welchen Chemikalien Bio-Baumwolle innerhalb der Produktionskette behandelt wird, hat keinen Einfluss auf das Zertifikat.
Mit welchen Chemikalien Bio-Baumwolle innerhalb der Produktionskette behandelt wird, hat keinen Einfluss auf das Zertifikat.(c) 2020 Getty Images

Crispin Argento, Gründer einer kleinen Beratungsfirma, die Modeunternehmen bei der Beschaffung von Bio-Baumwolle hilft, beschreibt das Kontrollsystem gegenüber der New York Times sogar als „Schall und Rauch“.

Bekanntes Problem

Das Problem ist innerhalb der Branche bekannt. Eines der bekanntesten Siegel, das deutsche Gots-Zertifikat (Global Organic Textile Standard) berichtet selbst über einen aufgeflogenen Betrugsfall in Indien aus dem Jahr 2020.

20.000 Tonnen gefälschte Bio-Baumwolle seien damals, laut Angaben von Gots, in Umlauf geraten. Betrüger hätten unechten Zertifikate erstellt, die zur Überprüfung bereitgestellten QR-Codes hätten zu einer ebenfalls gefälschten Webseite der ausführenden Kontrollbehörde geführt.

Auch die Europäische Union beendet laufend die Zusammenarbeit mit Kontrollorganisationen, so diese nicht sorgfältig genug arbeiten. So wurde vergangenen November entschieden, die Zertifizierungen von fünf indischen Kontrollorganisationen nicht länger zu akzeptieren, darunter die drei größten des Landes.

Verfälschte Mengenangaben

Die Recherche legt außerdem den Verdacht nahe, dass schlussendlich sehr viel mehr Produkte aus Bio-Baumwolle im Textilhandel landen, als eigentlich aus der tatsächlich angebauten Bio-Baumwolle hergestellt werden können. Genau überprüfbar ist das aber nicht, da weder die indische Regierung bekannt gibt, wie viel Bio-Baumwolle produziert wird, noch Kontrollorgane darüber Auskunft geben, welche Mengen sie kontrollieren. Zuletzt verraten auch Modeunternehmen nicht, welche Mengen an Rohstoff sie einkaufen.

(chrima)

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