Milliardenhilfe für Irland - auch wenn es nicht will

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Die EU bereitete am Wochenende ein großes Hilfspaket für das schwer verschuldete Irland vor, dessen Regierung sich ziert, offiziell darum anzusuchen. Noch wehrt sich Dublin, aber die Uhr tickt gnadenlos.

Dublin. Dreimal krähte der Hahn, heißt es, und nicht weniger als zweimal in weniger als 24 Stunden hat sich die irische Regierung am Wochenende genötigt gesehen, Berichte zu dementieren, wonach „vorbereitende Gespräche“ über eine EU-Finanzhilfe bereits begonnen hätten.

„Nein. Wir sind nicht in vorbereitenden Gesprächen“, sagte ein Sprecher von Ministerpräsident Brian Cowen offiziell in der Nacht auf Sonntag. Zuvor hatte die BBC unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen gemeldet, „vorbereitende Gespräche“ zwischen Brüssel und Dublin über ein Rettungspaket von 60 bis 80Milliarden Euro hätten begonnen: „Es ist nicht länger eine Frage, ob, sondern wann die irische Regierung einen formellen Rettungsantrag an den Euro-Stabilitätsfonds (EFSF) stellen wird.“

„Kein Antrag auf irgendetwas“

Zuvor hatte schon die Agentur Reuters zwei namentlich nicht genannte Quellen „aus der Eurozone“ zitiert, wonach „erste technische Vorbereitungen im Gange“ seien. Ein EU-Rettungspaket für Irland nach dem Vorbild Griechenlands, das im Mai 110 Milliarden Euro erhalten hatte, sei „sehr wahrscheinlich“. Der irische Finanzminister Brian Lenihan dementierte umgehend: „Wir haben im Gegensatz zu anderslautender Spekulation keinen Antrag auf irgendetwas gestellt.“

Dublin lehnt ein Anzapfen des EFSF weiter vehement ab und fürchtet den Verlust seiner ökonomischen Souveränität vor allem angesichts des Drucks aus Berlin und Paris. Mit Stolz und Sturköpfigkeit will sich Irland am eigenen Schopf aus dem finanziellen Sumpf ziehen: Das Budgetdefizit beträgt heuer wegen der Bankenrettung rekordverdächtige 32 Prozent. Selbst ein radikales 15-Milliarden-Euro-Sparpaket, das am 7.Dezember dem Parlament vorgelegt wird, konnte die Märkte nicht besänftigen. Der Zinssatz, den Irland für zehnjährige Staatsschuldscheine anbieten musste, durchbrach am Donnerstag mit 9,25Prozent eine psychologisch wichtige Marke. Vor einem Jahr waren es 4,7Prozent gewesen.

Dennoch hat Lenihan nicht unrecht, wenn er behauptet, ein Antrag auf Finanzhilfe habe derzeit „keinen Sinn“. Experten rechnen, dass Irland in den letzten Wochen 100 Milliarden Euro an Cash angehäuft hat. Lenihan: „Der Staat ist bis Juni ausreichend mit Finanzmitteln versorgt. Wir haben substanzielle Reserven. Warum sollen wir jetzt Hilfe beanspruchen? Es würde nur ein Signal an die Märkte senden, dass wir unsere eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.“ IMF-Chef Dominique Strass-Kahn lieferte Schützenhilfe: „Ich glaube, Irland kann seine Probleme ganz gut selbst meistern.“

Das ist der entscheidende Punkt. Wenn Irland auf absehbare Zeit mit Bargeld versorgt ist, warum dann jetzt – teure – Hilfe anrufen, wenn der Markt besonders schlecht ist, anstatt auf eine Beruhigung und bessere Zinsen zu warten? Lenihan kennt die Antwort: „Unsere europäischen Partner drängen auf eine Lösung.“

In Dublin sprach man am Wochenende in Regierungskreisen ganz offen und verärgert von „gezielten Leaks“ aus der EU, mit denen Irland gegen seinen Willen in den Euro-Schutzfonds gedrängt werden soll. Besonders die Europäische Zentralbank (EZB) übe „enormen Druck“ aus, schrieb gestern die „Sunday Business Post“.

EZB fürchtet Milliardenkosten

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Auch wenn die irische Regierung behauptet, ausreichend Finanzmittel zu haben, fürchtet die EZB, dass die Bankenrettung weitere Milliarden kosten könnte. Dublin holt sich das Geld dafür in Frankfurt, wo man aus Eigeninteresse eine stabilere Haushaltsposition Irlands sehen möchte: „Wir würden die Inanspruchnahme eines Rettungskredits begrüßen, aber wir erzwingen sie nicht“, zitierte das „Wall Street Journal“ gestern eine „mit der Angelegenheit vertraute“ Quelle.

Haftungen erst ab 2013

Das wünschen sich außerdem auch die Kommerzbanken, vorwiegend aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die die größten Investoren in irische Bonds sind. Sie reagierten am Freitag erleichtert, dass sie nun erst ab 2013 an den Kosten eines Staatsausgleichs in der EU beteiligt werden sollen (siehe Seite 2). Unmittelbar nach dieser Erklärung am Rande des G20-Gipfels in Seoul sank der Druck auf irische Bonds, und es kam die erste Meldung über ein Hilfsansuchen Irlands. Zufall? Noch wehrt sich Dublin, aber die Uhr tickt gnadenlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2010)

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