Paketboxen

„Viel weniger erfolglose Zustellversuche“

Benutzeroffene Umschlagbox des Wienbox-Netzwerks.
Benutzeroffene Umschlagbox des Wienbox-Netzwerks.[ Wiener Stadtwerke]
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Der ständige Anstieg der Paketmengen macht neue Lösungen auf der letzten Meile notwendig. Die Initiative „Wienbox“ will benutzeroffene Umschlagboxen forcieren, von denen auch der stationäre Handel profitieren könnte.

Die Coronapandemie hat auch in der Logistik einiges ins Rollen gebracht – im Guten wie im Schlechten. Im Schlechten wären die Störungen in den Lieferketten zu nennen, im Guten gab es positive Entwicklungen auf der sogenannten letzten Meile. „In Wien und Niederösterreich hat sich die Zahl der Paketboxen seit 2019 auf 662 Standorte mit insgesamt 70.000 Fächern verdreifacht“, berichtet Gerald Gregori, Unternehmensberater für Strategie und Logistik. „Tendenz weiter steigend.“

Argument für den Klimaschutz

Paketboxen werden in der Logistikbranche mittlerweile als eine der effizientesten Lösungsansätze gesehen, um die Zustelleffizienz auf der letzten Meile deutlich zu erhöhen, Leerfahrten zu vermeiden, Kosten für Zusteller zu minimieren und letztlich einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. „Bei einer flächendeckenden Implementierung ließen sich zwischen 40 Prozent und zwei Drittel des CO2-Ausstoßes auf der letzten Meile vermeiden, weil es dadurch zu viel weniger erfolglosen Zustellungsversuchen kommt“, bringt es Wolfgang Kubesch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL), mit Verweis auf eine Studie des Handelsverbandes auf den Punkt.

Davon ist man derzeit zwar noch weit entfernt, angesichts des stark steigenden Paketvolumens, das im Vorjahr im B2C-Bereich erstmals die 200-Millionen-Grenze überschritten hat, müsse ihr Ausbau forciert werden, sind sich die Experten einig. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, streicht vor allem ihre Bedeutung für den Handel heraus: Der E-Commerce habe durch die Pandemie und die mit ihr verbundenen Lockdowns einen zusätzlichen Turbo gezündet – allein 2021 habe sich das Volumen in Österreich noch einmal um 20 Prozent erhöht. „Will sich der stationäre Handel behaupten, dann führt kein Weg an neuen Omni-Channel-Strategien vorbei, und damit stellt sich auch das Problem einer möglichst kunden- und umweltfreundlichen Zustellung beziehungsweise Aushändigung der bestellten Waren“, betont Will.
Die ideale Lösung sieht er in sogenannten White-Label-Stationen, das sind Umschlagboxen, die unabhängig vom jeweiligen Betreiber den verschiedensten Nutzern offen zugänglich sind. An logistisch günstigen Standorten aufgestellt, könnten Pakete dort flexibel deponiert und von den Kunden abgeholt werden, und zwar rund um die Uhr. „Ein solcher 24-Stunden-Service ist für die Kundenzufriedenheit zentral“, betont der Handelsexperte.

Gregori geht noch einen Schritt weiter. Ihm schwebt ein mit einem digitalen Schlüsselsystem versehenes „multifunktionales Stadt- bzw. Landmöbel“ vor, das nicht nur für Paketzustellungen, sondern auch für Retouren, Dokumentenübergaben oder als Schließ- und Übergabefach für Private genutzt werden könnte. Derzeit haben die Betreiber proprietärer Hubs – dazu gehören in Österreich die Post AG und Amazon – noch die Nase vorn. „Aber die offenen Systeme sind zuletzt überproportional stark gewachsen“, betont der Experte mit Verweis auf mittlerweile sieben Anbieter, darunter A1, Storebox, Myflexbox oder Variocube.

Wien als Vorreiter

Neuer Leitfaden

Einen weiteren Schub in diese Richtung verspricht man sich von „Wienbox“, einem Projekt, das die Wiener Stadtwerke im Vorjahr ins Leben gerufen haben und das sich um die Vernetzung, Vereinheitlichung und den Ausbau der bestehenden Systeme bemüht. Das Vorhaben ist ambitioniert, denn dafür müssen im Vorfeld noch eine ganze Reihe von technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt bzw. geschaffen werden. „Dazu gehören unter anderem der hürdenfreie Datenaustausch entlang der Supply Chain, die Klärung von Haftungsfragen sowie grenz- und anbieterübergreifende Standards bei der Belabelung von Paketen, die die Interoperabilität ermöglichen“, skizziert Walter Trezek, KEP-Logistikexperte und Mitautor eines neuen Leitfadens zu White-Label-Paketboxen, einige der Herausforderungen. Gleichzeitig müssten mögliche Standorte und deren logistische und bauliche Eignung geprüft werden. Als Betreiber infrage kommen demnach neben darauf spezialisierten Anbietern unter anderem Wohnbauträger, Verkehrsbetriebe, Tankstellenbetreiber, Handelsunternehmen oder Kommunen.

Hierfür wurden schon einige vielversprechende Schritte gesetzt: So sind etwa mittlerweile auf der Wienbox-Website (www.wienbox.at) alle Standorte der White-Label-Boxen in der Bundeshauptstadt abrufbar, in der Folge soll sie zu einer Plattform ausgebaut werden, die als Schnittstelle für alle bestehenden Systeme fungiert. Kurz- bis mittelfristig soll die Initiative dann auf die anderen Bundesländer ausgerollt und ländliche Gegenden miteinbezogen werden.Handelsverband, BVL, Austrian Logistics und das Klimaministerium haben gemeinsam einen Leitfaden zu White-Label-Paketboxen herausgebracht, der interessierten Betreibern eine Orientierungshilfe in rechtlichen, organisatorischen oder bautechnischen Fragestellungen bietet. Der Leitfaden kann unter der folgenden Internetadresse kostenlos heruntergeladen werden: www.bmk.gv.at/themen/mobilitaet/transport/publikationen/wh ite-label-paketboxen.html

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