Nachhaltigkeit

Hoch oben, über der Stadt

Urbane Mobilität, wie sie sich der Südtiroler Seilbahn-Hersteller Leitner vorstellt: Eine Kabine wird in der Station an ein autonomes Fahrzeug übergeben, das dann auf einer eigenen Trasse weiterfährt. Einen Prototypen, ConnX genannt, gibt es bereits.
Urbane Mobilität, wie sie sich der Südtiroler Seilbahn-Hersteller Leitner vorstellt: Eine Kabine wird in der Station an ein autonomes Fahrzeug übergeben, das dann auf einer eigenen Trasse weiterfährt. Einen Prototypen, ConnX genannt, gibt es bereits. [ Leitner/Wisthaler ]
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In manchen südamerikanischen Metropolen sind Stadtseilbahnen bereits fixer Bestandteil des öffentlichen Verkehrsnetzes. Europa hinkt diesbezüglich nach – aus verschiedenen Gründen.

Sie kommt zurück wie der sprichwörtliche Bumerang – die Idee einer Stadtseilbahn in Wien. Denn in ihrem Koalitionspakt macht sich die rot-pinke Stadtregierung auf Initiative der Neos für die Prüfung einer etwa 4,5 Kilometer langen Seilbahnverbindung zwischen Hütteldorf und Ottakring stark. Die Kosten dafür werden mit 55 bis 70 Millionen Euro beziffert. Noch heuer soll die Machbarkeit einer solchen Anlage, aber auch etwaiger weiterer Seilbahnen in der Bundeshauptstadt geprüft werden. In Linz und Salzburg wird über die Verkehrsverbindung in luftiger Höhe ebenfalls mehr oder weniger laut nachgedacht, in Graz hingegen ist die Idee der Murgondelbahn mittlerweile vom Tisch.

Lateinamerika vorn

Auch in anderen Städten Europas steht man diesem Transportmittel derzeit noch eher skeptisch gegenüber. „Es gibt zwar Projekte wie beispielsweise in Koblenz, Lissabon, London, Göteborg oder Bozen, aber die sind nicht in den öffentlichen Verkehr eingebunden“, sagt Karl Hofer vom Institut für Straßen- und Verkehrswesen an der TU Graz. Manche dieser Anlagen seien für touristische Zwecke errichtet worden, andere wiederum würden als Zubringer zum öffentlichen Verkehrsnetz fungieren. Diese Aufgabe soll eine in Paris geplante Seilbahn erfüllen: „Im Großraum Paris wird ab 2025 eine Seilbahn das Mobilitätsangebot ergänzen und zwei Stadtviertel, die durch Eisenbahntrassen und Verkehrswege voneinander getrennt sind, miteinander verbinden. Sie bindet die Viertel direkt an das Metro-Netz an und erleichtert so den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr“, sagt Julia Schwärzler, PR-Manager beim Seilbahnspezialisten Doppelmayr, der diese Anlage errichten wird.

Anders sieht es hingegen in Südamerika aus: Hier sind Seilbahnen schon seit Längerem wichtiges Element des öffentlichen Personennahverkehrs. „Der Trend zur urbanen Seilbahn wurde hier geboren“, sagt dazu Hofer. In den bolivianischen Zwillingsstädten La Paz und El Alto befindet sich mittlerweile mit zehn Linien und mehr als 33 Kilometern Länge das größte Seilbahnnetz der Welt. Erst im Juli 2021 wurde in Mexiko City die Cablebús Línea 1 des städtischen Seilbahnnetzes eröffnet. Die Seilbahn ist komplett in den öffentlichen Verkehrs- und Tarifverbund integriert, weiß Schwärzler.

Diesen Vorsprung führt Hofer auf mehrere Faktoren zurück: Zum einen sei das Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn-Netz schlecht ausgebaut, zum anderen sei die Topografie in den lateinamerikanischen Metropolen eine andere. „Bei Strecken, für die man mit dem Bus zwei Stunden gebraucht hat, braucht man mit der Seilbahn nur noch wenige Minuten.“ Nicht zuletzt gibt es weniger Probleme bei der Errichtung. „In Europa sind die rechtlichen Rahmenbedingungen ganz anders.“ Themen wie Sicherheit, Privatsphäre und Architektur seien hier enorm wichtig. „Beispielsweise ist die Bebauung nur auf öffentlichen Flächen möglich“, sagt Hofer, der jedoch davon überzeugt ist, dass sich urbane Seilbahnen in Zukunft auch in Europa zunehmend etablieren werden. So sei in Bayern bereits ein Leitfaden zur ihrer Entwicklung ausgearbeitet worden. Dass in Europa ein Paradigmenwechsel in Sicht sein könnte, ist nicht zuletzt auf ihre Vorteile zurückzuführen: Diese reichen vom geringen Flächenverbrauch über die Möglichkeit, die Fläche unterhalb der Bahn sinnvoll nutzen zu können, und der relativ kurzen Bauzeit bis zu den im Vergleich zum Bau einer Straßenbahn relativ geringen Investitionskosten. „Bei Straßenbahnen bewegt sich der Kilometerpreis zwischen 20 und 25 Millionen Euro, bei Seilbahnen sind es zwischen 15 und 20 Millionen Euro“, so Hofer. Aber auch im Betrieb können Letztere mit geringem Energieverbrauch, Geräuscharmut und Einsparungen bei den Emissionen punkten. Dazu kommt die Benutzerfreundlichkeit: „Es gibt keine Wartezeiten und Verspätungen“, betont der Experte.

Beschränkte Kapazität

Doch es gibt Grenzen: Bei technischen Problemen steht die ganze Anlage, da es weder die Möglichkeit zu Umleitungen noch zu einem Ersatzverkehr oder zur Kurzführung gibt. Auch bei Gewittern muss der Betrieb eingestellt und die Seilbahn geräumt werden. Nicht zuletzt sei die Kapazität beschränkt: „Bis zu einer Streckenlänge von sechs, sieben Kilometern sind Seilbahnen von der Reisezeit und der Leistungsfähigkeit her konkurrenzfähig“, erklärt Hofer. Allerdings sei Multimodalität das Erfolgsrezept für den öffentlichen Verkehr, ergänzt Schwärzler. Demnach sollte das Ziel bei der Entwicklung von Mobilitätslösungen sein, das richtige Verkehrsmittel für die richtige Aufgabe zu wählen.

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