„Es ist kein guter Tag“: Die Grenzen von Österreichs Neutralität

Karl Nehammer (r.), Werner Kogler.
Karl Nehammer (r.), Werner Kogler.imago images/SEPA.Media
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Die Regierung erklärt sich solidarisch mit der Ukraine und verspricht humanitäre Hilfe. Nur die FPÖ macht beim parlamentarischen Schulterschluss nicht mit.

Dass sich ein Bundeskanzler, der eben erst eine Erklärung vor dem Nationalrat abgegeben hatte, in der anschließenden Debatte noch einmal zu Wort meldet, ist eher ungewöhnlich. Aber Karl Nehammer hielt das am Donnerstag für notwendig, nachdem er zwischenzeitlich mit dem Präsidenten der Ukraine telefoniert hatte.

Wolodymyr Selenskyj habe Folgendes gesagt: Er melde sich aus einem Land, „von dem er nicht weiß, wie lange es noch existiert“ – und dass er auch nicht wisse, wie lange er noch leben werde, berichtete der Bundeskanzler. Selenskyj habe Österreich um Beistand ersucht, und den werde man auch leisten. Nehammer versprach humanitäre Hilfe und die Aufnahme von Flüchtlingen. Denn: „Österreich kann da auch als neutrales Land nicht wegschauen.“ Danach war es für einige Momente still im österreichischen Parlament – auch das eher ungewöhnlich.

Gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler und den Mitgliedern des Krisenkabinetts, allesamt mit schwarzen FFP2-Masken, war der Bundeskanzler im Hohen Haus erschienen, um Stellung zum russischen Einmarsch in der Ukraine zu nehmen. Die Botschaft lautete: Man verurteile den „Krieg in unserer Nachbarschaft“ und trage alle EU-Sanktionen mit, auch wenn das für die heimische Wirtschaft schmerzhaft werden könnte.

„Der 24. Februar wird die Geschichte verändern. Es ist kein guter Tag“, sagte Vizekanzler Werner Kogler. Die jüngste Rede Wladimir Putins sei an „geschichtsfälschender Theatralik“ nicht zu überbieten gewesen. Und auch wenn die NATO in den vergangenen Jahrzehnten „nicht immer sensibel genug“ vorgegangen sei – dass Putin nun behaupte, aus Selbstschutz zu handeln, sei eine „180-Grad-Verdrehung“. Dem russischen Präsidenten unterstellte Kogler ein „diktatorisches Regime“. Gegen den „Angriffskrieg“ in der Ukraine müsse man mit „Politik, Diplomatie und Sanktionen“ vorgehen. „Es kann nicht Ziel der Neutralität sein, teilnahmslos zuzusehen.“

An dem Punkt widersprach FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Wenn du nicht stark bist, sei klug“, zitierte er den chinesischen Militärstrategen Sunzi. In den vergangenen Jahren sei es sowohl auf russischer als auch auf NATO- bzw. EU-Seite zu schuldhaftem und provokativem Verhalten gekommen. Die Analysen der Regierungsspitze seien jedoch von „Eindimensionalität, Einseitigkeit und Parteilichkeit“ gekennzeichnet: „Das ist weder mutig noch neutral.“ Sanktionen seien der falsche, selbstschädigende Weg. Stattdessen müsse Österreich dazu aufrufen, die Waffen niederzulegen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

„Antikapitalismus-Sehnsucht“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hielt den Freiheitlichen daraufhin vor, sich in der jüngeren Vergangenheit von Putins Partei – Einiges Russland – finanziert haben zu lassen. „Sie sind keine Vertreter, sondern Verräter der Freiheit.“ Wobei es „aus einer modrigen Antikapitalismus-Sehnsucht heraus“ auch auf der Linken „Putin-Versteher“ gebe, sagte Meinl-Reisinger und warf einen kurzen Blick in den SPÖ-Block. Nein, im Ukraine-Krieg gebe es keine Neutralität.

Das sieht auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner so: Es sei nicht hinnehmbar, wenn ein Staat auf europäischem Boden Grenzen mit Gewalt verschiebe. Neutralität bedeute nämlich nicht „Gleichgültigkeit gegenüber einem eklatanten Bruch des Völkerrechts“.

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