Klassik

Requiem von Dvořák: schlicht, ergreifend

Ein wichtiges Werk, im Konzerthaus leider enttäuschend interpretiert.

Das Gedränge von Chor- und Orchestermassen auf dem weiten Konzerthaus-Podium täuschte: Dvořáks Requiem von 1890 zeigt keinen Hang zu Gigantomanie. Die Zeit war noch nicht reif für Kolossalgemälde wie Mahlers Achte oder Schönbergs „Gurre-Lieder“. Dvořáks kirchenmusikalischer Stil huldigt eher einem schlichten, verinnerlichten Ausdruck, der Freude am Singen, an farbenprächtiger Klangentwicklung. Im kargen Tonfall des Requiems sehen manche Auswirkungen der restaurativen Cäcilianismus-Bewegung, jedenfalls ist es ein Werk von großer Intensität und packender Wahrhaftigkeit. Es ruft mit exzellentem Komponistenhandwerk zu Glauben, Mitgefühl und Trauer auf, hier wird nicht in gespielter Demut auf den Knien gerutscht oder mit scheinheiligen Versprechungen gepredigt. Der Weg geht vom Jüngsten Gericht zu Trost und Versöhnung.

Dirigentin mit kantigem Schlag

Nur weil das Konzerthaus jetzt erst seine zweite Produktion des Dvořák-Requiems zusammengebracht hat, stimmt die im Programmheft suggerierte Mär nicht, dieses Werk würde ein Schattendasein führen. Aufführungen im Musikverein von Pultgrößen wie Neumann, Fedosejew oder Jansons sind in lebhafter Erinnerung. Dagegen ist heute schwer zu bestehen. Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv, die – eine berührende Geste! – über dem Damenfrack eine Schärpe in den Farben ihrer Heimat trug, verließ sich auf ein einigermaßen geordnetes Organisieren in straffem Stil, mit kantigem Schlag betonte sie die vertikale Ordnung des Apparats, das Horizontale – das Schweben, Fliegen und Emporschrauben von Melodien und Harmonien – interessierte sie kaum, ebenso nicht das Lesen zwischen den Zeilen, vom böhmischen Idiom ganz zu schweigen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.