Architekturwahrnehmung

Psychologie: Die stumme Macht der Dinge

Design und Architektur bringen uns zum Reden, zum Schweigen, zum Wohlfühlen und manchmal auch zum Verzweifeln.

Ob Menschen oder Dinge: Menschen machen da oft gar nicht so viel Unterschied. „Sie haben ja auch die Tendenz, selbst in den Dingen das ‚Menschliche‘ zu sehen“, sagt Architektin Anja Aichinger. Das müssen nicht unbedingt nur Gesichter sein, die man plötzlich in den Badarmaturen erkennt. Man schreit die Dinge ja auch an, wenn sie nicht tun, was man will. Ist bei Menschen auch nicht anders. Und auch das ist eine klare Parallele: Kaum ist man gemeinsam mit einem Objekt im selben Raum, steht man unweigerlich in Beziehung zu diesem. Ist bei Menschen auch so. In manchen Raumtypologien fällt das allerdings besonders unangenehm auf: etwa im Aufzug. Dort vollzieht sich dann ein seltsamer Prozess, den Psychologen schon einmal die „Elevator Osmosis“ genannt haben. Das bedeutet: Im Aufzug stehen die Menschen in einer bestimmten Konstellation zueinander. Doch kaum steigt einer aus, konfiguriert sich das räumliche Beziehungssetting wieder völlig neu. Und das auf engstem Raum. Schuld daran ist das menschliche Bedürfnis nach Individualdistanz. Das Tolle: In Aufzügen und vollen U-Bahnen kann man es kurzfristig ausschalten. Viele andere Prozesse, mit denen Menschen auf Räume und Dinge reagieren, dagegen nicht.

Angebote machen

Seit ein paar Jahren beschäftigt sich die Architektin Anja Aichinger auch zunehmend damit, wie Menschen zueinander stehen, vor allem auch im „Raum“, allein durch ihre „systemischen Strukuraufstellungen“. Doch noch viel länger beschäftigt sie die Frage, was die Räume und die Dinge darin so mit den Menschen anstellen, die sie benutzen. Architektur macht Menschen klein. Wie gotische Kathedralen etwa, meint Aichinger. Und Dinge machen manche von ihnen wichtiger, als sie sind, wenn sie sich etwa hinter dicken Schreibtischen verschanzen. So manche Raumtypologien, die Menschen erst erfinden mussten, lösen überhaupt seltsame Verhaltensweisen aus. Da flitzten auch die Kugelschreiber von berühmten Soziologen wie Erving Goffman nur so über den Notizblock. Sein liebster Beobachtungsraum: die Hotellobby. Denn auch dort erzeugen Farben, Formen, Konfigurationen nicht nur Atmosphäre und Stimmungen. Vor allem auch Gefühle. Wie eben auch in der Kirche. Dort ist eher die Ehrfurcht der Zustand, den Architektur triggern soll. Und die Konfiguration der Kirchenbänke stellt auch eines gleich klar:

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.