Lebens- und Sozialberater

Unterstützung in (fast) allen Lagen

In schwierigen Situationen können Lebens- und Sozialberater methodisch fundierte Beratung bieten.
In schwierigen Situationen können Lebens- und Sozialberater methodisch fundierte Beratung bieten.Getty Images
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Eine neue Verordnung soll die Ausbildung auf den neuesten wissenschaftlichen Stand bringen und das Prestige heben. Kritiker bemängeln Praxisferne.

Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen wie Trauer, Beziehungsproblemen oder Überforderung, Hilfe bei persönlicher Weiterentwicklung, sei es im privaten Bereich oder im beruflichen Kontext, und vieles mehr – das Tätigkeitsfeld von Lebens- und Sozialberatern (LSB) ist weit. Mit einer wesentlichen Ausnahme: Die Klienten müssen psychisch gesund sein – ansonsten müssen sie an klinische Psychologen oder Psychotherapeuten verwiesen werden. Die Ansprüche an Lebensberater sind hoch. Bislang sollte eine fünfsemestrige Ausbildung an zertifizierten Instituten oder in Universitätslehrgängen sicherstellen, dass diese erfüllt sind. Dabei setzte man betont auf Praxis und Persönlichkeitsentwicklung, die – inklusive Supervision – grob die Hälfte der 1375 Ausbildungsstunden ausmacht. Ein bestimmter Schul- oder Universitätsabschluss ist für die Ausbildung ebenso wenig erforderlich wie ein Mindestalter, das aber von einigen Instituten verlangt wird.

Ausbildung erweitert

Eine neue Ausbildungsverordnung, die ab 2023 gültig sein soll, setzt nun einiges drauf. Statt fünf sollen es nun sechs Semester sein, mit insgesamt 180 ECTS-Punkten, um, einem Bachelor gleichwertig, im Nationalen Qualifikationsrahmen Stufe 6 zu erreichen. Ziel ist laut Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) die Modernisierung und Anpassung an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zudem sollen die Inhalte und Anrechnungen von Vorkenntnissen klar definiert werden. Für den zuständigen WKO-Fachgruppenobmann, Andreas Herz, ist es „nach 30 Jahren an der Zeit gewesen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Möglichkeiten zu verankern“. Herz nennt hier etwa Beratung via Videokonferenz.

Irritationen erzeugte die im Entwurf zur Ausbildungsverordnung genannte Zahl von 4500 Stunden. Das würde die Ausbildungskosten, die derzeit in der Größenordnung von 10.000Euro liegen, verdreifachen und so den Zugang erschweren und für viele verunmöglichen. Damit würde der Beruf des LSB, der sich auch als wichtige Säule der Prävention versteht, schlicht aussterben, so der Tenor der Kritik, die etwa vom ÖVLSB – Verband der österreichischen Lebens- und Sozialberater-Innen – oder vom VFPB – Verein zur Förderung der Psychosozialen Beratung – geäußert wurde.

Hier kalmiert Herz mit einer Präzisierung. Die 4500 Stunden beinhalten – wie in der ECTS-Berechnung üblich – auch den Lernaufwand abseits des Unterrichts. Laut WKO und BMDW sieht die aktualisierte Verordnung unterm Strich insgesamt 1485,5 Präsenzstunden vor, wobei laut BMDW auch digitale Einheiten möglich sind und der Umrechnungsfaktor von Präsenz- in Ausbildungsstunden je nach Anforderung der einzelnen Module variiert.

Für VFPB-Obmann Stefan Gros sind allerdings einige Fragen offen, etwa die der Kontrolle der zusätzlichen Lernleistung. Grundsätzlich befürwortet die Branche durchaus eine Modernisierung der Ausbildung. Gros nennt den Punkt soziale Einrichtungen: Über die Hälfte der LSB arbeitet im Angestelltenverhältnis, oft in Gesundheitseinrichtungen. Das Verständnis für und die Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen sei daher eine wichtige Kompetenz. Allerdings seien theoretische Inhalte wie Geschichte der Psychotherapie mit zehn ECTS überrepräsentiert, während die Beratungspraxis, die den Beruf eigentlich ausmacht, zu kurz komme, kritisiert Gros, der – mit Blick etwa auf Pflegeberuf oder Elementarpädagogen – skeptisch ist, ob eine formale Höherqualifizierung Image oder Bezahlung verbessert.

Was die Branche zudem beschäftigt, ist die laut BMDW „mit der Hebung des Qualitätsniveaus der Ausbildung naturgemäß einhergehende Erhöhung der Qualifikationsanforderungen an die Auszubildenden“. Im BMDW geht man zwar davon aus, dass die derzeit bereits tätigen Ausbildner weiterhin in ihren jeweiligen Bereichen ausbilden dürfen. Knackpunkt sind aber neu aufgenommene Inhalte.

Unis bevorzugt?

Hier könnte es zu einer „Akademisierung durch die Hintertür“ kommen, wie es Gros formuliert. Auch im Hinblick auf einschlägige Uni-Lehrgänge oder Bachelorstudien. Es ist zu erwarten, dass es mit der neuen Möglichkeit des Bachelor Professional auch entsprechende Studienangebote an (Privat-)Unis oder Uni-Weiterbildungseinrichtungen geben wird.

Diese hätten laut Gros einen Wettbewerbsvorteil, da sie im Gegensatz zu Instituten bis zu 90 ECTS an Vorwissen anerkennen dürfen – was den Lehrgang billiger machen kann – und mit dem Abschluss ein akademischer Titel verliehen wird. Zudem ist in der neuen Ausbildungsverordnung statt der bisherigen Prüfung durch die Ausbildungsinstitute eine einheitliche Abschlussprüfung der WKO vorgesehen – die sich, sagt Gros, die Bachelor-Absolventen ersparen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2022)

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