Was nicht bei drei im Kino ist, landet im Angebot der Streamer. Etwa der jüngste Streich des „Amélie“-Regisseurs, eine berückende Teenie-Romanze von Josephine Decker – und eine Horror-Fortsetzung für Hartgesottene.
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Big Bug
Bourgeoisie im Bann der Killer-KI
Zu sehen auf Netflix
Netflix rühmt sich, Filmkünstlern, die ihre Schöpfergeister im „alten“ Kulturbetrieb zügeln mussten, freie Hand für Herzensprojekte zu lassen. In Einzelfällen mag das stimmen. Fraglich ist, ob die Carte blanche stets zum Guten gereicht. Eine Produktion wie „Bigbug“ entspringt offenkundig dem ungefilterten Genius von Jean-Pierre Jeunet. Doch macht sie das allein sehenswert? Jeunet hat sich 2001 mit „Die fabelhafte Welt der Amélie“ in die Filmhistorie eingeschrieben, seine Stärke sind schrullig-satirische Fantasiewelten mit sentimentalem Touch. In „Bigbug“ schwingt er sich zum Rundumschlag gegen die digitale Ära auf, in Form einer bizarren Kreuzung aus Dystopie, Boulevardstück, Abenteuerfilm und Luis Buñuels „Würgeengel“.
Ein bunter Haufen bürgerlicher Bekannter trifft sich in einer „smarten“ (sprich: automatisierten) Wohnung, die bald von der KI-Verwaltung (François Levantal als grinsender Robocop) abgeriegelt wird. Zusammen mit ihren menschelnden Blechdienern müssen sie das digitale Joch abschütteln. Die retrofuturistische Ausstattung und ein paar Spitzen, die sitzen, all das kann nicht kaschieren, dass dem Film, der sein Erzählprogramm reibungslos abschnurrt, selbst jeder Sinn für humane Fehlbarkeit fehlt. Immerhin: Ein Unikat. (and)
The Sky Is Everywhere
Eine Teenie-Trauer-Romanze
Zu sehen auf Apple TV+
Kann man alles romantisieren? Selbst das „Schlimmste, was einem passieren kann“, wie die Schülerin Lennie (bezaubernd: Grace Kaufman) es ausdrückt? Man kann, zeigt dieses wundersame Jugenddrama von Indie-Regisseurin Josephine Decker – und es kann sogar gut ausgehen. Der Film ist zugleich Teenie-Dreiecksromanze, Trauerdrama und verkünsteltes Poesie-Märchen, angesiedelt in einem üppigen Wald, in dem magische Rosen blühen und auf Blätter gekritzelte Notizen wie durch Zauberhand zu ihrem Empfänger finden.
Hier lebt – bei einer gutmütigen, etwas hexenhaften Hippie-Oma und einem väterlichen Kiffer-Onkel (Jason Segel) – die jugendliche Lennie. Deren große, geliebte Schwester ist kürzlich überraschend gestorben. Während Lennie nur langsam aus der Lähmung und Verdrängung herausfindet, taumelt sie gleich zweifach in amouröse Wirrungen. So sehr die Erzählung bisweilen Rom-Com-Konventionen nachgibt (was zugleich vorhersehbar und unglaubwürdig wirken kann), so einfühlsam und warmherzig wird das Gefühlschaos der Protagonistin geschildert. Hier regiert der Überschwang – der Emotionen, der Farben, der Inszenierung: wunderbar wild. (kanu)
Texas Chainsaw Massacre
Wieder ein Kettensägen-Horrortrip
Zu sehen auf Netflix
Der Anfang stellt jenen von Tobe Hoopers „Blutgericht in Texas“ nach: Ein Off-Sprecher berichtet von einem entsetzlichen Verbrechen, die Bilder zeigen vergammelnde Leichen unter der rostrot leuchtenden texanischen Sonne. Es ist ein True-Crime-Fernsehprogramm, das vom Kettensägenmassaker des Jahres 1974 erzählt, und damit endet die formästhetische Verwandtschaft zwischen Originalfilm und dieser achten (!) Fortsetzung auch schon. Für den Rest der rasant inszenierten, elegant gefilmten Schlachtplatte gibt sich Regisseur David Blue Garcia gar nicht mehr der Illusion hin, er könne dem Terrorkino-Meisterstück das Wasser reichen oder es ansprechend weitererzählen.
Sein „Texas Chainsaw Massacre“ ist vor allem Schaubühne für exzellent realisierte Mordnummern, und die (ohnehin lächerliche) Geschichte nur Füllmaterial, um diese vor- und nachzubereiten. Star ist Killer Leatherface, mit der Gesichtshaut der geliebten Ziehmutter (netter Kurzauftritt: Alice Krige) auf der Visage und der dauerknatternden Kettensäge in der Hand. Ein unnötiger Subplot schickt Sally Hardesty (tolle Erscheinung: Olwen Fouéré), die einzige Überlebende des ursprünglichen Massakers, auf Konfrontationskurs mit dem Monster. Fazit: Entschlackte, unprätentiöse und durchaus sehenswerte Horror-Unterhaltung für Hartgesottene. (mak)
I Want You Back
Klischeehafte Trennungs-Rom-Com
Zu sehen auf Amazon
Ein Geheimnis über das Erwachsensein verrät die unter Trennungsschmerz leidende Emma (Komikerin Jenny Slate) an einer Stelle dieser typischen romantischen Komödie einem Zwölfjährigen: „Wir tun alle nur so, als wüssten wir, was wir tun.“ Das Diktum scheint auch für den Film zu gelten, der in Figurenzeichnung und Erzählung kein Klischee auslässt, und dabei das Gefühl hinterlässt, als wäre das irgendwie Absicht – was „I Want You Back“ nicht unbedingt besser macht, aber immerhin sympathisch. Zwei frisch Verlassene (Slate und Charlie Day) wollen ihr altes Glück zurück, indem sie gegenseitig die neuen Beziehungen ihrer jeweiligen Ex-Partner sabotieren, woraus sich ein verzwicktes romantisches Sechseck entwickelt (u. a. mit Gina Rodriguez). Wie das am Ende ausgeht, kann man sich von Anfang an denken, es ist dann aber auch egal, denn: Mehr als das Zusammenfinden feiert dieser Film das Auseinandergehen, wenn es Zeit dafür ist. Und das ist dann doch wieder recht erwachsen . . . (kanu)