Den U-Ausschuss zu mutmaßlicher Korruption in der ÖVP sieht der Kanzler als politisch motiviert an. Dass Sobotka diesem vorsitzen soll, hält er für passend.
Der nächste Untersuchungsausschuss steht kurz vor dem Beginn und einmal mehr mehren sich Stimmen gegen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Vorsitzenden. Unbeirrt davon, will er auch den Vorsitz in diesem U-Ausschuss führen, der sich vor allem um die Volkspartei drehen wird und beruft sich dabei auf die Geschäftsordnung. Allerdings räumte er zuletzt ein, dass, sollten etwa ehemalige Mitarbeiter von ihm befragt werden, er bereit sei, den Vorsitz für diese Zeit abzugeben. Nicht nötig, findet nun Bundeskanzler Karl Nehammer. Es gebe keinen Anlass, dass dieser den Vorsitz abgeben sollte, sagte der ÖVP-Chef am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".
Auch Sobotkas durchaus fragwürdigen historischen Vergleich sieht Nehammer als unproblematisch an. Gemeint ist: Sobotka hatte im von "profil", "Kurier" und "Kronen Zeitung" organisierten Interviewformat "Club 3" den Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Situation in Österreich 1945 - der Befreiung vom NS-Regime - verglichen, später als "unpassend" zurückgezogen.
Zur Forderung, er solle den Vorsitz im U-Ausschuss abgeben, fand er eine Parallele mit der Ausschaltung des Parlaments 1933, was er später ein wenig präzisierte.
U-Ausschuss-Überschrift "entlarvend genug"
Für Nehammer hat Sobotka dessen Aussagen zurechtgerückt. Als U-Ausschuss-Vorsitzender sei er jedenfalls tragbar. Ohnehin könne Sobotka dabei nichts ohne den Verfahrensrichter machen, stellte der Kanzler fest. Zu seiner kommenden Befragung, die sich vor allem auf Nehammers Rolle als einstiger ÖVP-Generalsekretär konzentrieren soll, meinte der nunmehrige Regierungschef, die Überschrift sei "entlarvend genug" und "durchsichtig". Es gehe offenbar darum, politische Arbeit zu vollziehen.
„Skandalös": Kritik von Opposition
Der freiheitliche Fraktionsführer Christian Hafenecker bezeichnet es als "nur mehr grauslig und skandalös“, was die ÖVP derzeit abliefere. Nun stehe Nehammer auch noch zu Sobotkas "staatsfeindlichen Aussagen", empörte er sich in einer Aussendung. Der Kanzler hoffe wohl, bei seiner Befragung im U-Ausschuss einen Verbündeten zu haben, mutmaßte Hafenecker zudem.
Auch die SPÖ kritisierte die "unbeirrte Unterstützung" des Nationalratspräsidenten durch Nehammer, ohne die historischen Vergleiche zu kritisieren. Vom Bundeskanzler und Parteichef müsse man klare Worte erwarten, wenn der parlamentarische U-Ausschuss mit 1933 verglichen wird, befand deren stellvertretender Klubchef Jörg Leichtfried.
Auch die Neos vermissten klare Worte des Kanzlers zu Sobotkas "jenseitigen Geschichtsvergleichen". Durch sein Schweigen dazu habe Nehammer hingegen gezeigt, "dass die ÖVP eben nicht redlich und auch nicht an Aufklärung interessiert ist - auch wenn sich Nehammer verbindlicher gibt als sein Vorgänger Sebastian Kurz", sagte deren Fraktionsführerin im U-Ausschuss, Stephanie Krisper, in einer Aussendung.
>>> Nehammer in der ORF-"Pressestunde"
(APA/Red.)