Klassik

Schuberts „Vierte“ macht weinen über den Ukraine-Krieg

Ein erschütterndes Konzert mit dem (Gelb-Blaues tragenden) Concentus.

Kunst ist oft untrennbar mit Politik verbunden, beziehungsweise ist Politik. Dirigent Stefan Gottfried sprach am Samstag im Musikverein davon, dass der 19-jährige Schubert selbst seine 4. Symphonie als „Tragische“ bezeichnet hatte, und bat dann um eine Gedenkminute für die Opfer des Ukraine-Krieges. Das erschütternde c-Moll dieses aufwühlenden Werkes erwischte das Publikum frontal. Mitgefühl, Betroffenheit und Trauer erfüllten den Saal, ebenso Angst und Wut.

Die famosen Musiker des Concentus Musicus Wien trugen Sticker mit den ukrainischen Nationalfarben Gelb-Blau an ihren Kleidern und investierten bei aller spieltechnischen Fertigkeit ein Höchstmaß an musikalischer Darstellungskraft. Zwar zieht sich Schuberts Todessehnsucht nahezu durch sein gesamtes Œuvre, in der „Vierten“ aber setzt er sich konkret mit dem Ende auseinander, und das Unausweichliche schwingt sogar in der vermeintlich versöhnlichen Schlussfloskel in C-Dur mit. Unter Stefan Gottfrieds hoch konzentrierter und vorantreibender Leitung setzte der Concentus Energien frei, die unter die Haut gingen, einem Tränen in die Augen drückte. In aller schroffen Klarheit und emotionsgeladenen Direktheit eine einzigartige und Maßstäbe setzende Aufführung.

Zum Thema Wiener Klassik gab's davor treffliche Wortmeldungen zu Mozart – die „Linzer“ Symphonie als Dialog zwischen Frivolität und lyrischer Empfindsamkeit – sowie zu Haydn: das brillante und chromblitzende Es-Dur-Trompetenkonzert mit dem virtuosen Gabriele Cassone, einem Hochseil-Artisten ohne Netz und doppeltem Boden. Rundum laute Zustimmung und Begeisterung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2022)

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