Ukraine-Krieg

Rubel auf Rekordtief - Russland hebt Leitzins auf 20 Prozent

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Archivbild.(c) REUTERS (Ilya Naymushin)
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Der eskalierende Streit Russlands mit dem Westen brockt der Währung des Landes einen Kurssturz ein. Die Zentralbank hebt den Leitzins stark an. Die Rohstoffpreise steigen.

Russland stemmt sich gegen die Folgen der Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Die Zentralbank in Moskau verdoppelte am Montag den Leitzins auf 20 Prozent von 9,5 Prozent. "Dies ist notwendig, um die Finanz- und Preisstabilität zu unterstützen und die Ersparnisse der Bürger vor Wertverlusten zu schützen", hieß es zur Begründung. Damit reagierte die Notenbank auf weitere Sanktionen der Europäischen Union, die sich auch gegen die Zentralbank selbst richten. Die Moskauer Börse blieb weitgehend geschlossen.

Nach dem Abkoppeln russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift bietet die Notenbank in Moskau eine interne Alternative an. Zentralbankchef Elvira Nabiullina sagte am Montag, mit diesem System könnten sich auch ausländische Gegenparteien verbinden. Als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine hatte der Westen eine Reihe russischer Banken von Swift abgeklemmt. Diese Finanzinstitute können ihre Verbindlichkeiten gegenüber vielen ausländischen Gläubigern damit nicht mehr über dieses System begleichen. Laut Nabiullina werden alle Banken ihren Verbindlichkeiten nachkommen. Alle Gelder auf den Konten seien sicher.

Zugleich betonte sie, die Notenbank habe am Montag nicht auf dem Devisenmarkt interveniert. Wer Dollar und Euro zur Stützung des trudelnden Rubels auf den Markt geworfen hat, ließ sie offen. Die EU hatte in der Nacht die angekündigten schwerwiegenden Sanktionen gegen die Moskauer Zentralbank in Kraft gesetzt. Sie umfassen ein Verbot von Transaktionen der Bank in Bezug auf die hohen russischen Währungsreserven in Euro. Zudem wird das Vermögen der Bank in der EU beschlagnahmt.

In der Nacht beschloss die EU, die Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft zu setzen, die die weitere Finanzierung der Invasion erschweren sollen. Die neuen Restriktionen sollen verhindern, dass Russland seine hohen Devisenreserven etwa in Euro, Pfund und Dollar nutzen kann. Großbritannien kündigte einen ähnlichen Schritt an, die USA ebenfalls. Japan und Südkorea schlossen sich dem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanzabwicklungssystem Swift an. Südkorea verhängte zudem einen Exportstopp für Hochtechnologiegüter an Russland. Der Rubel stürzte wegen der verschärften Sanktionen auf ein Rekordtief. Bereits am Sonntag hatten sich vor Bankautomaten in Russland Schlangen gebildet.

Bei russischen Staatsanleihen lösten die verschärften Sanktionen am Montag Panikverkäufe aus. So verloren die Papiere mit Laufzeiten bis 2024 und 2043 jeweils mehr als 50 Prozent an Wert. Im Gegenzug verdoppelten sich die Renditen auf 17,073 beziehungsweise 20,003 Prozent.

Auch bei Unternehmen und Banken zeigten die Maßnahmen erste Wirkung. Einige europäische Tochterunternehmen der staatlichen russischen Sberbank sind nach Angaben der Europäischen Zentralbank zahlungsunfähig oder werden es demnächst sein. Der britische Ölkonzern BP kündigte an, seinen knapp 20-prozentigen Anteil an dem staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft abzustoßen.

Sorge wegen Menschenrechtsverletzungen

Russische Truppen setzten auch in der Nacht zum Montag ihren Vormarsch in der Ukraine fort und stießen erneut auf Widerstand. Explosionen waren in der Hauptstadt Kiew und der zweitgrößten Stadt des Landes, Charkiw, zu hören. Kämpfe gab es demnach auch im Süden im Gebiet von Mariupol, wie der örtliche Regionalgouverneur mitteilte. Die ukrainische Seite berichtet über zahlreiche zivile Opfer der Angriffe, weil auch Wohngebiete beschossen würden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax befand sich die Stadt Berdjansk am Asowschen Meer in der Hand des russischen Militärs. Auch hätten russische Truppen die Kontrolle über das Gebiet um das Atomkraftwerk Saporischschja übernommen. Eine weitere Eskalation des Konflikts hatte es am Sonntag gegeben, weil Russlands Präsident Wladimir Putin die Atomstreitkräfte seines Landes in Alarmbereitschaft versetzte.

Nach Angaben der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, wurden bei den Kämpfen bislang 102 Zivilpersonen getötet und 304 verletzt. Die tatsächlichen Zahlen dürften aber "erheblich höher" sein, sagte Bachelet in Genf. Jüngsten Zahlen zufolge seien in der Ukraine 422.000 Menschen auf der Flucht. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor zunehmenden Menschenrechtsverletzungen. Die Vereinten Nationen würden diese mit Teams vor Ort beobachten. "Wir müssen allen Menschen in der Ukraine zeigen, dass wir in dieser Zeit der Not an ihrer Seite stehen." In New York sollte am Montag die UN-Vollversammlung zu einer seltenen Sondersitzung zusammenkommen.

Das Treffen russischer und ukrainischer Vertreter war an der belarussischen Grenze geplant. Hauptziel der Gespräche ist nach Angaben der ukrainischen Regierung ein sofortiger Waffenstillstand und der Abzug der russischen Truppen. Bei der UN-Vollversammlung hofften westliche Regierungen darauf, dass möglichst viele der 193 Mitgliedstaaten die russische Invasion verurteilen würden. Am Wochenende hatte es weltweite Demonstrationen gegen den russischen Angriff gegeben. Allein in Berlin demonstrierten mehr als 100.000 Teilnehmer für Frieden. In Russland sollen nach Protesten fast 6000 Menschen nach Angaben des OVD-Protestmonitors verhaftet worden sein.

Die russische Invasion führte am Wochenende zu weiteren Kurswechseln europäischer Regierungen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte nicht nur an, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Deutschland will nun wie einige andere Staaten der Ukraine auch Waffen liefern. EU-Staaten und Kanada leiteten am Sonntag zudem die Schließung ihres Luftraums für russische Flugzeuge ein. Die US-Regierung prüft einen ähnlichen Schritt. Die russische Fluggesellschaft Aeroflot kündigte daraufhin an, alle Flüge nach Europa zu streichen. Die Lufthansa strich 30 Verbindungen nach Russland.

Preise für Gold, Öl, Weizen steigen

Wegen des Ukraine-Kriegs suchen immer mehr Anleger Schutz im "sicheren Hafen" Gold. Das Edelmetall steuert mit einem Plus von 2,2 Prozent auf 1928,32 Dollar je Feinunze auf den größten Tagesgewinn seit etwa einem Jahr zu.

Die Furcht vor Lieferausfällen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine beschert Weizen den größten Preissprung seit fast 13 Jahren. Der US-Future steigt um mehr als neun Prozent auf ein Neuneinhalb-Jahres-Hoch von 9,2025 Dollar je Scheffel. Russland und die Ukraine sind wichtige Weizen-Exporteuere. 

Die Ölpreise haben am Montagvormittag zugelegt. Gegen 11 Uhr kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 102,89 US-Dollar und damit 5,1 Prozent mehr als am Vortag. Der Brent-Preis nimmt damit wieder Kurs auf das in der Vorwoche erreichte Mehrjahreshoch bei 105 Dollar. Ein Barrel der US-Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) stieg am Montag auf 96,39 US-Dollar.

Angetrieben wurden die Gas- und Ölpreise am Montag von Ängsten vor einer Unterbrechung der russischen Energielieferungen. Am Terminmarkt stieg der europäische Erdgaspreis (1-Monats-Forward) kurz nach Eröffnung sogar um 36 Prozent auf 119 Euro je MWh, schreiben die Analysten der Commerzbank.

"Grund für die kräftigen Preisanstiege sind die westlichen Sanktionen gegen Russland, die am Wochenende noch einmal spürbar verschärft wurden", so die Analysten. Ein großer britischer Ölkonzern hatte zudem bekannt gegeben, seine Beteiligung am größten russischen Ölkonzern abzustoßen und dafür sogar einen Verlust von 25 Mrd. Dollar in Kauf zu nehmen.

"Russland könnte als Vergeltung für diese einschneidenden Maßnahmen die Energielieferungen nach Europa reduzieren oder sogar ganz einstellen. Noch gibt es dafür allerdings keinen Anhaltspunkt", schreibt der Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch am Montag.

Die russischen Gaslieferungen nach Europa sind laut Commerzbank am Freitag sogar auf das höchste Niveau seit Dezember gestiegen und auch die vorläufigen Daten für heute zeigen noch kein grundsätzlich anderes Bild. "Die Sanktionen und der Exodus westlicher Ölgesellschaften dürften mittel- bis langfristig zu einer niedrigeren russischen Öl- und Gasproduktion führen, da Investitionen in die Aufrechterhaltung der Produktion bzw. die Erschließung neuer Quellen deutlich schwieriger werden", so die Analysten.

Der Preis für ein Barrel Opec-Öl wurde für Freitag mit 96,67 US-Dollar festgelegt, wie das OPEC-Sekretariat am Montag mitteilte. Am Donnerstag hatte der Preis noch bei 101,22 Dollar gelegen. Der OPEC-Preis setzt sich aus einem Korb von zwölf Sorten zusammen.

(APA/Reuters/dpa)

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