Ukraine-Krieg

Wifo-Chef Felbermayr: Raiffeisen braucht Schutzschirm

Bloomberg
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Die österreichische Raiffeisen Bank International sei mit ihren Investments in Russland in Prozent der Bilanzsumme die wahrscheinlich am stärksten betroffene Bank überhaupt, sagt der Wifo-Chef.

Die gegen die russische Zentralbank und Finanztransfers über das Swift-Zahlungsverkehrssystem gerichteten westlichen Sanktionen wegen der Invasion in der Ukraine werden Russland schaden, ist Wifo-Chef Gabriel Felbermayr überzeugt. Für Russland seien seine Währungsreserven nun deutlich weniger nützlich, es drohe ein Run auf Russlands Banken mit einer ausgemachten Finanzkrise, sagte Felbermayr am Montag im Ö1-Morgenjournal. Über die RBI sollte ein Schutzschirm gespannt werden.

Die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) sei mit ihren Investments in Russland in Prozent der Bilanzsumme die wahrscheinlich am stärksten betroffene Bank überhaupt, noch vor der UniCredit oder Societe Generale, "da haben wir echt ein Thema". "Da wird man jetzt einen Schutzschirm spannen müssen, damit das nicht zu echten Problemen bei der RBI führt, das muss man sehen im Laufe des Tages", meinte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im ORF-Radio. Er sei sich sicher, dass  bereits „jede Menge Gespräche laufen“.

"Ob die RBI einen Rettungsschirm braucht, das muss man sehen", sagte Felbermayr im Ö1-Mittagsjournal. Er gehe davon aus, dass die RBI bereits Vorkehrungen getroffen habe. Er habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass es wichtig sei, dieses Risiko im Blick zu haben: "Es wäre unschön, wenn aus einer russischen Finanzkrise auch Probleme für den österreichischen Bankenmarkt erwachsen." Für einen möglichen Schutzschirm gebe es "keine unmittelbare und akute Notwendigkeit", hielt der Wifo-Chef auf Twitter fest. Dennoch müssten gerade jetzt Finanzmarktrisiken im Blick behalten werden - für mögliche Verwerfungen sei der heimische Finanzmarkt gut gerüstet. Die schon vorige Woche stark unter Druck gestandenen RBI-Aktien gaben am Montag bis zu gut 18 Prozent nach und notierten zuletzt um 15 Prozent tiefer.

Die Geschäftsbanken würden natürlich an der russischen Zentralbank hängen. Diese stelle sicher, dass der Rubel gegen den Euro oder den Dollar austauschbar, also konvertibel sei. Die Zentralbank sei auch zuständig dafür, dass der Zahlungsverkehr laufe. Und jetzt sehe man, dass die Notenbank auf ihre Reserven, die großteils in Frankfurt sowie anderswo im Ausland liegen würden, nicht mehr zugreifen könne. Dann könnten Forderungen russischer Banken gegenüber ihrer Zentralbank nicht mehr befriedigt werden. "Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass es in Russland 'Bank Runs' gibt, also einen Ansturm auf die Banken. Eine ganz ausgemachte Finanzmarktkrise droht da."

Gretchenfrage Gas

"Die Gretchenfrage in den nächsten Stunden" ist für den Wifo-Chef, ob unter diesen Bedingungen - der Kombination von Swift-Sanktionen plus Zentralbank-Sanktion - Russland überhaupt bereit sei, weiter Gas zu liefern, denn mit den Euros, die da jetzt durch Ausnahmen von den Swift-Sanktionen weiter fließen können, könne Russland wenig anfangen. "Das ist quasi, als ob man anschreiben ließe irgendwo im Ausland, da baut sich dann jetzt ein Euro- oder Dollar-Guthaben auf, aber das kann Russland nicht einsetzen, um damit zum Beispiel in Indien oder in Japan irgendwelche wertvollen Dinge zu kaufen, die für die Kriegsführung relevant wären", so Felbermayr.

Russland könne vermutlich eine ganze Weile ohne diese Deviseneinnahmen funktionieren, so der Wifo-Chef: "So schnell wird Russland nicht zusammenbrechen, das ist klar." Aber die Kosten dieser Eskalation würden jetzt bei den Russen sehr viel deutlicher spürbar. "Und man kann hoffen - das ist ja auch das, was man mit den Sanktionen bezwecken will -, dass der Widerstand gegen diesen Krieg in Russland deutlich wächst."

Einschätzungen anderer führender Ökonomen

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank: "Russland wird nicht nur durch die Finanzsanktionen, sondern auch durch die am Freitag beschlossenen Exportbeschränkungen getroffen. Diese gelten für Ausrüstungen von Ölraffinerien, Flugzeugteile, Halbleiter etc. Da die Beschränkungen auf Hightech-Exporte abzielen, dürften sie der Wirtschaft Russlands langfristig beträchtlich schaden, auch weil sie die ökonomische Entwicklung jenseits des Energiesektors behindern. Wir erwarten, dass die russische Wirtschaft in eine Phase schmerzhaft niedrigen Trendwachstums eintreten wird."

Thomas Gitzel, Chefredakteur VP Bank: "Der Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungssystem Swift bleibt nicht ohne wirtschaftliche Folgen für den europäischen Bankensektor. Der Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehr bedeutet, dass diese Finanzinstitute ihre Verbindlichkeiten gegenüber ihren europäischen Gläubigern nicht mehr begleichen können. (...) Harte Sanktionen, die Russland wirklich treffen, gibt es für Europa nicht zum Nulltarif. Je weiter Russland sanktioniert wird, desto deutlicher werden die wirtschaftlichen Folgen für die europäischen Staaten und auch für die USA. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn es zu einem Stopp russischer Gaslieferungen käme."

Analysten US-Investmentbank JPMorgan: "Das Design dieser Sanktionen besteht darin, der russischen Wirtschaft erheblichen Schaden zuzufügen und gleichzeitig den Fluss russischer Öl- und Erdgasexporte aufrechtzuerhalten. Diese Sanktionen werden mit ziemlicher Sicherheit treffen und Russland dürfte auf eine tiefe Rezession und die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen zusteuert. (...) Während der Schaden für Russland sehr wahrscheinlich erscheint, ist es ungewiss, ob die russischen Exporte weiter möglich sein werden. Die unmittelbare Frage ist, ob die westlichen Verbündeten tatsächlich Ausnahmen für Energiezahlungen durchsetzen können. Energiezahlungen werden schwer zu identifizieren sein."

Neil Shearing, Chefvolkswirt Capital Economics: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Auswirkungen auf die globalen Lieferketten insgesamt relativ gering sein werden, aber der Ausschluss einiger russischer Banken aus dem Swift-System bedeutet, dass der Handel zwischen Russland und Europa außerhalb des Energiesektors wahrscheinlich einbrechen wird. Angriffe auf die Infrastruktur, die Gas nach Westeuropa transportiert, könnten die Preise weiter in die Höhe treiben und den Inflationsdruck erhöhen. Und die zusätzlichen Sanktionen könnten zu Vergeltungsmaßnahmen Russlands führen, was die Energieimporte nach Westeuropa einschränken könnte."

Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg Bank: Die Sanktionen können jedoch das Risiko erhöhen, dass Russland Energie- und andere Rohstofflieferungen nach Europa einschränkt, wenn Russland die Erlöse aus solchen Verkäufen nicht verwenden kann. (...). Die Sanktionen dürften Russlands Wirtschaft und damit seine Fähigkeit, sich sein überdimensioniertes Militär im Laufe der Zeit leisten zu können, schwächen.

(APA/dpa)

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