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Mitreden: Hat der Westen Putin falsch eingeschätzt?

Im Ukraine-Krieg wird immer mehr Kritik an Politikern in Europa laut. Wurde Putin hierzulande hofiert? Hat man ihn falsch eingeschätzt? Und: Wie geht es jetzt weiter? Diskutieren Sie mit!

„Wurden Sie schon einmal von einem Hund gebissen? Der Besitzer und ein Passant warnten sogar, doch andere meinten, er wolle doch nur spielen und wer belle, beiße doch nicht. Selbst wenn man damit rechnen muss, im Moment des Zuschnappens und Bisses reagiert man perplex bis geschockt.“ So beginnt diese Woche „Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak seinen Newsletter, den Sie hier kostenlos abonnieren können und der jeden Montag erscheint. Nowak schreibt weiter: „Es wie in den alten Filmen und Geschichtsbüchern: Ein Usurpator kommandiert seine Armeen und versucht sich ein ganzes Land einzuverleiben." Das hedonistisch-naive Europa habe feststellen müssen: „Über Nacht kann es passieren, dass man plötzlich um sein Leben rennen muss, dass man Kinder und das Notwendigste nehmen und fliehen muss. Oder kämpfen, obwohl man noch nie eine Waffe in der Hand gehalten hat.“

Debatten, die in Österreich und anderen EU-Ländern immer wieder geführt wurden, flammen jetzt in einer nie dagewesenen Dringlichkeit wieder auf, etwa jene über die Verteidigungsausgaben (siehe auch Leitartikel von Norbert Rief), jene über die Abhängigkeit vom russischen Gas - oder über den Nato-Beitritt.

Wladimir Putin, seit dem Jahr 2000 in Russland an der Macht, versetzt mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine Europa in Aufruhr. War das zu erwarten? In einem informativen Interview mit „Presse"-Außenpolitik-Chef Christian Ultsch mutmaßt der bekannte Politologe Ivan Krastev über die Radikalisierung Putins in der Coronakrise: „Mehr als ein Jahr lang traf der russische Präsident nur eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen und las jede Menge historisches Material. Seinen berühmten Essay über die 'Einheit der Russen und Ukrainer', der im Juli erschien, schrieb Putin größtenteils selbst. Er konzentrierte sich auf sein historisches Erbe.“

Mehr über Putins Ideenwelt lesen Sie auch in einen Bericht von Korrespondentin Inna Hartwich. Sie schreibt: „Für Putin gibt es ein Land wie die Ukraine nicht." Seine Auftritte der vergangenen Wochen  zeigten „die moralische Vernichtung eines Staates, den Russland nie verstanden hat."

Auch der außenpolitische Kommentator Burkhard Bischof beschäftigt sich in seiner aktuellsten Kolumne mit Putin. Sein Fazit: „Putin war, ist und wird immer ein Geheimdienstmann sein.“ Sein gesamtes politisches Wirken sei „von der Arbeitsweise des KGB geprägt."

Über Europa senkt sich nach Putins Angriff „ein Eiserner Vorhang“, schreibt Christian Ultsch in einem Leitartikel. Für ihn steht fest: „Es kann kein Business as usual geben. Europa wird sich komplett entkoppeln von Putins Paria-Staat.“ Und er meint auch: „Der Westen hat sich verkalkuliert. Sanktionen reichen nicht, um Putin zu stoppen."

In einer TV-Diskussion am Sonntag fand der ukrainische Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets, klare Worte: Europa habe weggesehen bei dem, was in der Ukraine passiert sei. Er verstehe nicht, „warum man Putin so hofiert hat“. Für Irritationen sorgte dabei Ex-Bundespräsident Heinz Fischer mit seiner Frage danach, wie die Ukraine Putin jetzt entgegenkommen wolle. Was TV-Kritikerin Rosa Schmidt-Vierthaler dazu zu sagen hat, lesen Sie hier.

Über die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg berichten wir im „Presse"-Liveticker.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Hat der Westen Putin falsch eingeschätzt? Wurde er zu sehr „hofiert"? Und: Senkt sich nun erneut ein „Eiserner Vorhang“ über Europa?

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