Ohne Musik fand die Armanischau im Rahmen der Mailander Fashionweek statt
Mode und Weltpolitik

Modewoche Mailand und Ukraine: „Eine kleine menschliche Geste hätte gereicht“

Mit einer prominenten Ausnahme ignorierte die Fashion Week in Mailand die russische Invasion der Ukraine. Nur Giorgio Armani fand einen Weg, seine Solidarität mit den Menschen im angegriffenen Land auszudrücken. Für viele Beobachter war dieses Schweigen eine herbe Enttäuschung.

„The show must go on“, das war immer schon das Motto der großen Modehäuser, wenn sie sich in Fashion-Week-Modus begeben - übrigens auch vor genau zwei Jahren, als bei Beginn der Pandemie das Laufstegtreiben noch ungebrochen weiterging. Damals und auch heute wieder ist es derselbe Designer, der sich als einziger dazu aufraffen konnte, eine Handlung zu setzen: Giorgio Armani, der 2020 seine Show ohne Publikum stattfinden ließ, als Covid-19 in Europa angekommen war, hat nun auch als einziger Designer in Mailand einen Weg gefunden, seine Solidarität mit dem ukrainischen Volk auszudrücken. Das Defilee werde ohne Musikbegleitung stattfinden, teilte die Modemarke auf Twitter mit und setzte dieses Vorhaben auch in die Tat um.

„Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man agieren kann. Es fühlte sich emotional stimmig an und zeigte, dass auch einfache, kleine Gesten einen Unterschied machen können“, sagt Vena Brykalin, Modechef der ukrainischen „Vogue“, der für sein Magazin die Modeschauen in Mailand besuchte und schon vor der russischen Invasion angereist war. „Eine kleine menschliche Geste hätte gereicht“, sagt Brykalin mit Blick auf die Präsentationen anderer Marken, wo man von der bloßen Anerkennung der russischen Invasion in der Ukraine weit entfernt war.

Er habe sich von keiner Marke, keinem Designer erwartet, dass sie ihre Shows in ein Friedensmanifest umwandeln, sagt Brykalin, oder offen das russische Regime zu kritisieren. „Dass man aber den Krieg völlig ausblendete, hat mich sehr enttäuscht“, sagt der Moderedakteur. Von den Luxusmarken, die in den kommenden Tagen in Paris ihre Kollektionen zeigen werden, erwarte er sich keine andere Herangehensweise, auch wenn sie etwas mehr Zeit hatten, ihre Präsentationen gegebenenfalls zu adaptieren.

„In den letzten Jahren haben so viele der wichtigen Player viel Energie darauf verwendet, sich als besonders ,woke' zu inszenieren und Diversityaspekte aufzugreifen“, setzt Brykalin fort, „wenn es aber zu einer geopolitischen Katastrophe kommt, schweigen alle.“ Auch diese Haltung habe ihn enttäuscht. Obendrein hat sich dank eines Berichts von „Vogue Business“ herausgestellt, dass Luxusmarken aus Frankreich und Italien von den Exportsanktionen der EU nicht betroffen sein werden. Das betrifft zwar nur einen kleinen Teil der Elite, fällt aber auch deshalb negativ auf, weil die Exporte viel kleiner ausfallen, als man annehmen könnte. „Hier geht es also nicht nur um den ökonomischen Aspekt, sondern auch grundsätzlich um die Scheu, eine Haltung zu beziehen, die als politisch ausgelegt werden könnte“, vermutet Brykalin.

Diese Auffassung teilt auch die in Wien lebende Designerin Liza Fateeva, gebürtige Russin: 1990 wanderte ihre Familie nach Lettland aus: „Auch dieses Land hat weiterhin Angst, dass die Russen irgendwann einmarschieren“, sagt Fateeva heute. Die Situation in der Ukraine bedrücke sie und mache sie sehr betroffen, weshalb sie sich kurzfristig zu einer Charity-Verkaufsauktion mit ihrer Marke auf Fateeva.net entschloss. Was in Mailand passierte - oder besser: nicht passierte -, lässt auch Fateeva, die selbst lang in Italien für internationale Luxusmarken arbeitete, verzweifeln: „Was ist mit der Modewelt eigentlich los?“, fragt sie sich. „So zu tun, als ob nichts passieren würde, oder zu sagen, Moment, jetzt noch eine Woche Pariser Modewoche, dann kümmern wir uns wieder um den Weltfrieden - was soll das?“ 

Viele Menschen, die Teil des Modesystems sind, teilen wohl nach Ende der Modewoche in Mailand die Enttäuschung und Ungläubigkeit von Liza Fateeva und Vena Brykalin. Es wäre zumindest schön zu sehen, wenn während der Pariser Semaine du Prêt-à-porter die Mehrzahl der Marken auf ihre Weise die Geste von Giorgio Armani nachahmen könnte.

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