Ticker-Nachlese

"Bemühen Sie sich": Geschäftsordnung stiehlt Kanzler die Show

Kanzler Nehammer auf dem Weg in den U-Ausschuss.
Kanzler Nehammer auf dem Weg in den U-Ausschuss.(c) Roland Schlager, APA
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Korruptionsverdacht, Postenvergaben und Freundschaften stehen auf der Agenda des U-Ausschusses. Als erste dazu befragt wurden Kanzler Karl Nehammer und der Investor und ÖVP-Spender Alexander Schütz.

Es begann mit einer Idee, führte zu Nachrichten, verschickt per Smartphone, und gipfelt (vorerst) in Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der Einsetzung eines „Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“. So lauten die kurzgefasste Genese und der lange, offizielle Titel des parlamentarischen U-Ausschusses, der am Mittwoch mit der Befragung von Bundeskanzler Karl Nehammer und dem Unternehmer und ÖVP-Spender Alexander Schütz begonnen hat (Ticker-Nachlese siehe unten).

Theoretisch erstreckt sich der thematische Rahmen des Ausschusses von Sebastian Kurz' Aufstieg an die ÖVP- und Regierungsspitze über Postenbesetzungen bis hin zu freundschaftlichen Banden. Formeller formuliert: „Das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen.“ Die Basis dafür stellen rund 1,3 Terabyte an bisher gelieferten Daten plus 2000 Ordner dar.

»Sie müssen es konkret machen. Das ist ja nicht so schwer, bemühen Sie sich einmal.«

Wolfgang Sobotka, U-Ausschuss-Vorsitzender


Tatsächlich gestaltete sich der erste Befragungstag aber als Zurschaustellung der parlamentarischen Geschäftsordnung. Genauer gesagt: Während ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger die Ansicht vertrat, dass lediglich „Vollziehungshandlungen des Bundes“ untersucht werden dürften, vertraten die übrigen Parteien - angeführt von – Kai Jan Krainer (SPÖ), Nina Tomaselli (Grüne), Christian Hafenecker (FPÖ) und Stephanie Krisper (Neos) – die Auffassung, dass sehr wohl auch nach Personen und Parteien gefragt werden dürfe. Die Folge: heftige Debatten, zahlreiche Unterbrechungen, lange Wartezeiten.

Das Ergebnis: zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen auf den Auftakt. Während die Vertreter der Volkspartei sich darüber empörten, dass ihnen eine „Blockadehaltung“ vorgeworfen wurde, um Aufklärung zu verhindern, monierten Opposition und Grüne, dass man Zeuge eines „unwürdigen Schauspiels“ geworden sei.

1 U-Ausschuss, 3 Themenkomplexe

Thema 1. Gegen Sebastian Kurz wird bekanntlich ermittelt: Zum einen wegen des Verdachts, er habe im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt. Zum anderen aufgrund von Umfragen, die Kurz ab dem Jahr 2016 in ein gutes Licht rücken sollten, um erst die Führung in der ÖVP, dann in der Regierung zu übernehmen. Das Pikante daran: Sie sollen mutmaßlich vom Finanzministerium mit Steuergeld bezahlt und von der Mediengruppe „Österreich“ verbreitet worden sein. Neben Kurz werden auch die Meinungsforscherin und Ex-Ministerin Sophie Karmasin sowie der damalige Kabinettschef im Finanzministerium und spätere Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid beschuldigt.

Thema 2. Grundlage für den Untersuchungsstrang Postenbesetzungen sind, wie bei Kurz' Aufstieg, Chats auf dem Handy von Schmid – und jenem von Michael Kloibmüller, langjährigem Kabinettschef im Innenministerium. Aus ihnen herauslesen lässt sich der WKStA zufolge unter anderem, dass sich ÖVP-Klubchef August Wöginger dafür eingesetzt hat, dass ein ÖVP-Bürgermeister Leiter des Finanzamtes Braunau wird.

Thema 3. Auch beim dritten Themenkomplex spielt Schmid eine zentrale Rolle. Geklärt werden soll die Frage: Gab es Gefälligkeiten für die Freunde der ÖVP? Damit gemeint sind allen voran türkise Großspender. Der promineteste unter ihnen: der Unternehmer Siegfried Wolf. Er hätte heute nach Nehammer Rede und Antwort stehen sollen. Denn: Er soll im Zuge einer Steuernachzahlung tatkräftige Unterstützung aus dem Kabinett des Finanzministers bekommen haben (die Justiz ermittelt; Wolf bestreitet). Tatsächlich Platz nehmen wird aber Alexander Schütz, ebenfalls Unternehmer und ÖVP-Spender. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. 

Der Liveticker zum Nachlesen:

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