Ukraine-Hilfe

Warum Sachspenden nicht immer helfen

Im Bild Sachspenden an einem polnisch-ukrainischen Grenzübergang auf dem Weg ins Krisengebiet.
Im Bild Sachspenden an einem polnisch-ukrainischen Grenzübergang auf dem Weg ins Krisengebiet.(c) REUTERS (BRYAN WOOLSTON)
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Zahlreiche Aufrufe für Sachspenden kursieren aktuell in sozialen Medien. Wann sie wirksam sind und warum Geld oftmals die bessere Unterstützung ist.

Zwischen Nachrichten-Posts diverser Medien und privaten Schnappschüssen stößt man in sozialen Netzwerken wie Instagram gerade auf zahlreiche Aufrufe für Sachspenden und die Aufnahme von Geflüchteten. Immer mehr Privatpersonen engagieren sich und schließen sich zusammen, um Kleidung, Hygiene- und Elektroartikel zu sammeln und mittels (oftmals gemieteten) Kleinbussen an die ukrainische Grenze zu bringen. Es ist eine Welle der Solidarität, die derzeit Österreich und andere europäische Länder erfasst. Die Bereitschaft mitanzupacken, Wohnraum zur Verfügung zu stellen und zu spenden ist groß. 

Isoliert betrachtet ist das zunächst lobenswert, findet Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien, der am Dienstag im Podcast der „Presse“ zu Gast war. Wichtig sei jedoch, sich vorher gut zu überlegen und entsprechend zu informieren, was konkret gebraucht würde. Das gelte sowohl als individueller Spender, als auch als jemand, der oder die selbst eine Initiative startet. Herausfinden kann man dies etwa über füreinand.at. Einmal angemeldet, wird man laufend darüber informiert, wo was gebraucht wird - von freiwilliger Hilfe über Sachspenden bis hin zu Unterkünften.

Mehr zum Thema Podcast der „Presse“

Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien ist zu Gast bei Anna Wallner in „Presse Play - Was wichtig wird“.

„Mehr Administration als Nutzen“ 

Auch Thomas Fussenegger, Pressesprecher der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), rät zu zielgerichteten Sachspenden. „Wir brauchen in erster Linie gerade Kindersachen, wie Spielzeug, Kinderwägen, Kindersitze, Dinge, die man für Säuglinge braucht, Windeln zum Beispiel“, und weiter: „Was wir vermeiden wollen, ist, dass Leute Dinge bringen, die sich am Flohmarkt nicht verkauft haben. Damit ist niemandem geholfen, weil es am Ende dann mehr Administration benötigt als es Nutzen bringt.“ Wer die oben genannten Sachspenden zur Verfügung hat, kann sich per Mail an grundversorgung@bbu.gv.at wenden unter Nennung der jeweiligen Sache und des eigenen Bundeslands. Man wird dann benachrichtigt, in welcher der Einrichtungen Bedarf herrscht und gebeten, die Sachspenden direkt dort abzuliefern.

Die BBU machte in den vergangenen Tagen mit einer neu geschaffenen Plattform auf sich aufmerksam, über die Privatpersonen Schlafplätze anbieten können. So sollen zahlreiche, individuelle Initiativen gebündelt werden, von denen es etwa auf sozialen Netzwerken so einige gibt. Über nachbarschaftsquartier@bbu.gv.at können Private angeben, wie viele Menschen sie beherbergen können. Auch hier gilt jedoch: zuerst überdenken, wie sinnvoll das eigene Angebot für Andere ist. „Ein Zimmer schnell für eine Woche freizuräumen wird nicht sehr wirksam und sinnvoll sein“, sagt Schwertner im „Presse“-Podcast. Wer sich also aktuell überlegt, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies „auch für eine längere Zeit sein kann.“ 

Geld - und Zeitspenden das A und O

Die Dimensionen des Krieges sind kaum vorstellbar. Geflüchtete sind auf die unmittelbare Nothilfe, Soforthilfe sowie Katastrophenhilfe angewiesen - hierfür brauchen humanitäre Hilfsorganisationen vor allem eines: Geld. „Derzeit ist es einfach effizienter und vor allem auch schneller, wenn die benötigten Dinge, etwa Medikamente, Decken und Lebensmittel direkt vor Ort gekauft werden, da unmittelbarer Bedarf herrscht“, erklärt Katha Häckel-Schinkinger, Leitung Kommunikation und Fundraising der Caritas Österreich. „Wir sind wahnsinnig beeindruckt und dankbar über die aktuelle Hilfsbereitschaft. Die Schlüsselfrage ist aber natürlich, was brauchen die Menschen vor Ort.“ Es gehe um punktgenaue Hilfe. „Humanitäre Hilfe ist nicht so trivial, wie man sich das möglicherweise vorstellt“, sagt Häckel-Schinkinger.

Kreatives, helfendes Händchen

Um Geld spenden zu können, muss man nicht zwingend viel davon haben, oft reicht ein bisschen Kreativität und Tatendrang. Beides hat die in Wien lebende Ukrainerin Polina Skomorokhova. Die 22-Jährige ist in Kiew geboren und aufgewachsen, ihre Eltern sind nach wie vor in der Ukraine. „Ich fühle mich hier so machtlos und wollte einfach etwas machen.“ Viele Menschen in ihrem Umfeld gehen auf Demonstrationen und drücken ihr Mitgefühl auf sozialen Netzwerken aus, wirklich spenden würden aber die wenigsten, sagt Skomorokhova. Sie hat deshalb einen Flohmarkt organisiert, bei dem sie zusammen mit anderen vorrangig Kleidung verkauft. Der Erlös geht an die ukrainische Pfarrgemeinde in Wien. 1500 Euro habe man am ersten Tag des Flohmarkts bereits eingenommen. „Es ist schön zu sehen, dass dann doch so viele Menschen mitmachen.“ 

Auch sie kennt das Problem mit Sachspenden, denn Skomorokhova sammelt neben ihrem Flohmarkt ebenfalls Dinge, die sie dann der ukrainischen Pfarrgemeinde in der Postgasse 8 in Wien bringt. „Wir haben auch Shirts mit Löchern bekommen. Das bringt natürlich nichts“, erzählt sie. Social Media ist für sie - auch in Hinblick auf ihren Flohmarkt - ein nützliches Tool. „Trotzdem muss man aufpassen. Oft kursieren Sachspenden-Aufrufe, die ein paar Tage alt sind. Die Dinge werden dann teilweise gar nicht mehr gebraucht.“ 

Gut gemeint 

Die Annahme von konkreten Sachspenden schließe die Caritas trotz alledem für die Zukunft nicht aus. Erstmal müsse jedoch der Bedarf ordentlich sondiert werden. Da sich dieser schnell ändern kann, muss laufend evaluiert werden. Spenden von weit her kämen so eben oft zu spät. Sachspenden bieten sich zunächst eher für Einrichtungen an, die Geflüchtete hierzulande aufnehmen, wie es etwa bei der BBU der Fall ist. An den Grenzen selbst brauche es nun in erster Linie ein systematisches Vorgehen, sagt Häckel-Schinkinger. „Unkoordiniertes Handeln auf eigene Faust hindert die Profis eher, als dass es ihnen hilft. Das gilt auch für Menschen, die Geflüchtete abholen und in Sicherheit bringen wollen.“ Anders sei das natürlich für Angehörige und Menschen, die jemanden kennen: „Innerhalb der Community ergibt das Sinn, nicht aber bei anderen privaten Einzelinitiativen.“ 

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