Morgenglosse

Standing Ovations für das ukrainische Volk

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In seiner Rede zur Lage der Nation animierte US-Präsident Joe Biden den Kongress zu einem symbolischen Akt der Solidarität für das Land, auf das die Bomben Putins niedergehen. Seine Botschaft an den Kriegsherrn im Kreml: „Die Freiheit wird über die Tyrannei siegen.“

Dutzende Male erhoben sich Kamala Harris und Nancy Pelosi hinter dem Sprecherpult in der großen Kammer des Kongresses fast reflexartig von ihren Sitzen, als würden sie an einer Fit-mach-mit-Stunde teilnehmen. Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, hatte keinen Grund, das Redemanuskript zu zerreißen wie vor zwei Jahren nach der Ansprache Donald Trumps. Nicht auszudenken, würde der Populist und Möchtegern-Putin-Freund in diesen Tagen noch an den Schalthebeln der Macht im Weißen Haus sitzen.

In seiner Rede zur Lage der Nation animierte indessen US-Präsident Joe Biden die Abgeordneten, die Höchstrichter, den Generalstabschef sowie das auserlesene Publikum auf den Rängen des Kapitols gleich zu Beginn zu einer Standing Ovation für den Mut und die Widerstandskraft des ukrainischen Volks. Viele trugen eine gelb-blaue Anstecknadel als Geste der Solidarität auf dem Revers, und die ukrainische Botschafterin in den USA nahm sie bewegt zur Kenntnis. Stunden zuvor hatte Biden noch mit ihrem Präsidenten, mit Wolodymyr Selenskij, telefoniert.

Bomben gegen das „Brudervolk"

Während Biden in Washington seine jährliche State of the Union, die Bilanz seines ersten Jahres im Amt, hielt, gingen 8000 Kilometer entfernt in Kiew und Charkiw, in Cherson und Mariupol russische Bomben auf das angebliche ukrainische „Brudervolk“ nieder. Joe Biden nahm denn auch Wladimir Putin, den Kriegsherrn im Kreml, ins Visier. Für seinen Auftritt im Kongress hat sich der Präsident eine Sperre des US-Luftraums für russische Flugzeuge aufgehoben. Putin sei isoliert wie nie zuvor, betonte Biden.

Tatsächlich steht die westliche Welt geeint und in eindrucksvoller Geschlossenheit gegen den russischen Präsidenten und seinen schändlichen Angriffskrieg im Osten Europas. Die Nato steht wie ein Block, und selbst Deutschland hat sein pazifistisches Grundprinzip über Bord geworfen. Und das ist nicht zuletzt das Verdienst des US-Präsidenten, der politisch und wirtschaftlich mit Geschick und Überzeugung eine Anti-Putin-Front geschmiedet hat.

Bisher ziemlich viel richtig gemacht

Im Kongress in Washington, in dem die Corona-Regeln weitgehend aufgehoben waren, gab es denn auch viel Lob für Biden, Umarmungen und joviales Schulterklopfen. Mit dieser geballten internationalen Reaktion, mit der Potenz der Sanktionen vom Finanzsektor bis zum Sport und der Welle der Solidarität hat der zynische Kreml-Chef nicht gerechnet. Sein Kalkül, den Westen zu spalten, hat sich ins Gegenteil verkehrt.

Dass der russische Präsident einen hohen Preis für seine Aggression zahlen werde, ist ein Mantra von Washington bis Berlin. Am Ende werde Russland schwächer dastehen und der Westen stärker, lautete Bidens optimistische Botschaft. „Die Freiheit wird über die Tyrannei siegen.“ Bis dahin wird in der Ukraine allerdings viel Blut fließen. Das ließ der US-Präsident unerwähnt.

Abgesehen von ein paar typischen Biden-Patzern hat er in Summe bisher ziemlich viel richtig gemacht in seiner ersten Weltkrise als Staatenlenker, und selbst das republikanische Establishment in Washington versagt ihm nicht die Unterstützung. Auch Mitch McConnell, Mitt Romney und Co. sind insgeheim heilfroh, dass nicht ihr irrlichternder Parteifreund Donald Trump als oberster Krisenmanager die Fäden der Supermacht zieht.

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